3.1.1 Begriff

Die Rücklage für Ersatzbeschaffung verhindert das Aufdecken stiller Reserven.[1] Der Begriff der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist nicht ausdrücklich im Gesetz verankert. Er beruht auf ständiger Rechtsprechung und wurde von der Finanzverwaltung übernommen. Scheidet ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen gegen Entschädigung aus, kann in bestimmten Fällen von einer Gewinnrealisierung abgesehen werden. Die stillen Reserven des ausscheidenden Wirtschaftsguts werden auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen.

 
Wichtig

Schenkung-/Erbschaftsteuer

Bei der Bewertung des Betriebsvermögens für erbschaftsteuerliche Zwecke ist die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen.

[1] Vgl. Frotscher, Watrin, in Frotscher/Geurts, EStG, § 5 EStG Rz. 151; Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, §5 Rz. 501.

3.1.2 Tatbestandsmerkmale

Die Rücklage für Ersatzbeschaffung setzt voraus, dass ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens

  • infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs
  • gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und
  • innerhalb einer bestimmten Frist ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatzwirtschaftsgut) angeschafft oder hergestellt wird,
  • auf das die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden.

Eine Entschädigung ist nur insoweit begünstigt, wie sie für das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgut als solche gezahlt wird. Ausnahmsweise können jedoch auch Zinsen sowie Leistungen einer Betriebsunterbrechungsversicherung in die steuerbegünstigte Entschädigung einzubeziehen sein.

 
Wichtig

Erweiterter Anwendungsbereich

Die Finanzverwaltung ermöglicht die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auch in solchen Fällen, in denen das Wirtschaftsgut nicht ausscheidet, sondern lediglich beschädigt wird.

3.1.3 Höhere Gewalt

Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen Dritter einwirkendes Ereignis, das unvorhersehbar ist, selbst durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütetet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.

Ein begünstigtes Ausscheiden aufgrund höherer Gewalt liegt vor, wenn das Wirtschaftsgut infolge von

  • Elementarereignissen, z. B. Brand, Sturm, Überschwemmung, Erdbeben, oder
  • unbeeinflussbarer menschlicher Einwirkungen wie Straftaten (Raub, Diebstahl, Unterschlagung), unverschuldete Verkehrsunfälle, Bergschäden oder der wegen schwerster Baumängel erforderliche Abriss eines Neubaus aus dem Betrieb ausscheidet oder beschädigt wird.[1]

Schäden infolge von Material-, Konstruktions- oder Bedienungsfehlern oder der gewöhnliche Maschinenbruch beruhen hingegen nicht auf höherer Gewalt.

[1] S. Frotscher, Watrin, in Frotscher/Geurts, EStG, § 5 EStG Rz. 219; Kulosa, in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 6 Rz. 104.

3.1.4 Behördlicher Eingriff

Ein behördlicher Eingriff ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige kraft öffentlichen Zwangs seine Entschließungsfreiheit aufgeben muss.

Ein Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aufgrund behördlichen Eingriffs liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

  • Enteignung;
  • Inanspruchnahme für Verteidigungszwecke;
  • behördliches Bauverbot;
  • behördlich angeordnete Betriebsunterbrechung.

Auch die Veräußerung eines Wirtschaftsguts wegen einer drohenden Enteignung ist begünstigt.

Eine Rücklage für Ersatzbeschaffung kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Grundstück z. B. aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage veräußert wird.

 
Praxis-Beispiel

Veräußerung wegen wirtschaftlicher Zwangslage

Die Tankstelle des Steuerpflichtigen wird seit der Fertigstellung einer neuen Umgehungsstraße nicht mehr ausreichend frequentiert. Aus wirtschaftlichen Gründen ist er gezwungen, seinen Betrieb zu verlegen. Die bei der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven können nicht auf ein Ersatzwirtschaftsgut im Rahmen einer Rücklage für Ersatzbeschaffung übertragen werden.

3.1.5 Ersatzwirtschaftsgut

Das Ersatzwirtschaftsgut muss wirtschaftlich dieselbe oder eine entsprechende Funktion erfüllen wie das ausgeschiedene Wirtschaftsgut. Der BFH fordert neben der Funktionsgleichheit, dass das Ersatzwirtschaftsgut auch tatsächlich funktionsgleich genutzt wird. Die Funktionsgleichheit setzt voraus, dass das neue Wirtschaftsgut in demselben Betrieb hergestellt oder angeschafft wird, dem das entzogene Wirtschaftsgut gedient hat.

In Sondersituationen, wie der BSE-Rindfleischkrise, lässt die Finanzverwaltung ausnahmsweise die Übertragung auf nicht funktionsgleiche Wirtschaftsgüter aus Billigkeitsgründen zu.[1]

Ausnahmsweise ist die Übertragung stiller Reserven auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen der Ersatzbeschaffungsrücklage zulässig, sofern die Zwangslage durch Enteignung oder höhere Gewalt zugleich den Fortbestand des bisherigen Betriebs selbst gefährdet oder beeinträchtigt hat.

 
Achtung

Einlage und Ersatzbeschaffung

Die Einlage eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen gilt nicht als Ersatzbeschaffung.[2] Ferner kann die Gewinnverwirklichung im Fall einer Entnahme nicht durch die Bi...

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