Leitsatz
In der Steuerbilanz einer als Großbetrieb i.S.v. § 3 BpO 2000 eingestuften Kapitalgesellschaft sind Rückstellungen für die im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bestehenden Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO, soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen, grundsätzlich auch vor Erlass einer Prüfungsanordnung zu bilden.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 196, § 200 AO, § 3, § 4, § 32 BpO 2000
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war gem. § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 BpO 2000 als sog. Großbetrieb eingestuft, der zum Konzern ihrer beiden Gesellschafter gehörte.
In ihrem Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 bildete sie eine Rückstellung für die Kosten einer zu erwartenden Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2004 bis 2006 in Höhe von 25.100 EUR. Die Rückstellung wurde bei den zunächst für das Streitjahr 2006 unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheiden berücksichtigt.
Im Jahre 2008 führte das FA eine die Jahre 2004 bis 2006 betreffende Betriebsprüfung durch. Es vertrat die Auffassung, die von der Klägerin gebildete Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten sei nicht anzuerkennen, weil am Bilanzstichtag (30.11.2006) lediglich die die Jahre 2001 bis 2003 betreffende Betriebsprüfung abgeschlossen gewesen sei und es im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung (31.1.2007) an einer Prüfungsanordnung für die Jahre 2004 bis 2006 gefehlt habe; letztere Prüfung sei erst im Mai 2008 verfügt worden.
Die daraufhin erhobene Klage gegen die entsprechend geänderten Steuerbescheide war erfolgreich (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 14.10.2010, 3 K 2555/09, Haufe-Index 2540407, EFG 2011, 339).
Entscheidung
Der BFH hat das FG bestätigt. Für die Einzelheiten der Argumentationsansätze genügen die Praxis-Hinweise.
Hinweis
1. Die Passivierung öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeiten setzt nach ständiger Rspr. des BFH voraus, dass die Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Sie muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzielen. Diese Voraussetzungen werden regelmäßig (1.) bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen. Zudem (2.) ist erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, sodass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.
Diesen Konkretisierungsmerkmalen liegt die Forderung zugrunde, dass der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss; die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht zu ihrer Passivierung nicht aus. Die ernstliche Erwartung einer Inanspruchnahme kann allerdings nicht schematisch aufgrund einzelner vorgegebener Kriterien beurteilt werden. Sie ist vielmehr nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.
2. Im Urteilsfall ging es um die Kosten für die (Sach-)Leistungsverpflichtungen, denen ein Steuerpflichtiger bei einer Betriebsprüfung aufgrund seiner spezifischen (öffentlich-rechtlichen) Mitwirkungserfordernisse nach § 200 AO unterworfen ist. Hierbei handelt es sich um die Pflicht, in seinen Geschäftsräumen Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen sowie die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und für die Prüfung einen geeigneten Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Dass derartige Kosten passivisch abzubilden sind, wenn das FA sein Erscheinen zur Prüfung angekündigt und dem Stpfl. eine Prüfungsanordnung gem. § 197 AO ausgehändigt hat, steht außer Frage.
3. Anders könnten die Dinge aus der Sicht des sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen sein, wenn die Prüfungsanordnung noch aussteht.
Der BFH sieht dieses Manko der noch ausstehenden Prüfungsanordnung jedenfalls für den Fall als nicht ausschlaggebend an, dass der Stpfl. als sog. Großbetrieb nach Maßgabe der BpO eingestuft wird und er deswegen nach der statistischen Wahrscheinlichkeit letztlich unausweichlich mit einer sog. Anschluss- oder Permanenzprüfung rechnen muss. Dass dem FA gleichwohl ein gewisses Entschließungs- und Auswahlermessen verbleibt, ob es denn tatsächlich prüfen oder auch, ob es sich mit einer sog. Schwerpunktprüfung oder einer abgekürzten Außenprüfung (§ 203 AO) begnügen will, ist in Anbetracht dessen zu vernachlässigen.
4. Die weiteren Rückstellungserfordernisse liegen vor:
- Die zugrunde liegenden Mitwirkungspflichten weisen den notwendigen Vergangenheitsbezug auf; denn sie erstrecken sich mit den Prüfungsjahren auf abgelaufene Wirtschaftsjahre. Insofern verhält es sich anders als bei etwaigem Buchführungsaufwand, der im Anschluss an eine bereits durchgeführte Betriebsprüfung infolge der Beanstandungen der Prüfung ausgelöst wird.
- Die betreffenden Mitwirkungspflichten...