rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfassung von Einnahmen aus insolvenzrechtlicher Anfechtung. Auslegung eines mit dem AdV-Antrag gestellten Antrags auf Aufhebung der Säumniszuschläge
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerrechtliche Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an.
2. Die Rückgewähr von Zahlungen aufgrund insolvenzrechtlicher Anfechtung führt zu Betriebseinnahmen, wenn die der Rückforderung zugrunde liegenden Zahlungen betrieblich veranlasst waren.
3. Hat der Insolvenzschuldner seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, führt die Erstattung der Betriebsausgabe aufgrund insolvenzrechtlicher Anfechtung zu einer im Zuflusszeitpunkt zu erfassenden nachträglichen Betriebseinnahme. Die darauf entfallende Einkommensteuer ist Masseverbindlichkeit.
4. Beantragt der Antragsteller neben der Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuer, die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zu der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag sowie bereits verwirkte Säumniszuschläge aufzuheben, ist darin ein – im AdV-Antrag bereits enthaltenes – Begehren auf Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides zu sehen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1, § 24 Nr. 2; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; AO § 240 Abs. 1 Sätze 1, 4; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Rückgewähr von Zahlungen aufgrund insolvenzrechtlicher Anfechtungen zu steuerbaren Einkünften und damit zu Masseverbindlichkeiten im Veranlagungszeitraum 2017 führte.
Der spätere Insolvenzschuldner war mit einer Einzelfirma als Spediteur gewerblich tätig. Den daraus erzielten Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelte er nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmenüberschussrechnung.
Für das Jahr 2014 hatte der Insolvenzschuldner Umsatzsteuervoranmeldungen über Umsätze zu 19 % in Höhe von 180.742 EUR eingereicht (ESt-Akte Bl. 46). Für das Jahr 2015 reichte der Insolvenzschuldner keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Am 17.03.2015 stellte der Insolvenzschuldner beim Amtsgericht … den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zum 30.03.2015 meldete er sein Gewerbe ab.
Zuvor hatte die Firma K GmbH am 27.03.2015 den Mietkaufvertrag über den einzigen betrieblichen LKW gekündigt, worauf der Insolvenzschuldner das Fahrzeug am 03.04.2015 zurückgegeben hatte. Zum 07.04.2015 nahm der Insolvenzschuldner eine Tätigkeit der Kraftfahrer bei der X GmbH auf und erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Im Insolvenzgutachten vom 04.05.2015 (Bl. 35 ff FG-Akte) ermittelte der Gutachter das freie Vermögen des Insolvenzschuldners mit 7.565,37 EUR, wovon ein Betrag 6.197,47 EUR auf eine Forderung des Insolvenzschuldners aus einem Vertrag mit der X GmbH entfiel. Insolvenzspezifische Ansprüche aus Anfechtung stellte der Gutachter nur hinsichtlich einer vom Finanzamt B – Antragsgegner – am 19.02.2015 ausgebrachten Pfändungsverfügung in Höhe von 603,97 EUR fest. Anlagevermögen des Insolvenzschuldners konnte der Gutachter nicht feststellen. Mit Beschluss vom 06.05.2015 wurde das Insolvenzverfahren antragsgemäß eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Antragsteller bestellt.
Eine Gewinnermittlung für das Jahr 2015 reichten weder der Insolvenzschuldner noch der Antragsteller ein.
Der Antragsteller machte wegen vor Insolvenzeröffnung erfolgter Zahlungen des Insolvenzschuldners an die K GmbH im Jahr 2016 insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. InsO geltend. Hieraus vereinnahmte er im Jahr 2017 zur Insolvenzmasse insgesamt 6.750 EUR. Hinsichtlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer erklärte der Antragsteller in der am 28.08.2018 eingereichten Umsatzsteuererklärung 2017 eine Vorsteuerkorrektur in Höhe von 1.077,73 EUR (Bl. 12 ff UStAkte).
Mit Schreiben vom 29.03.2019 (Bl. 108 ESt-Akte) forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorlage einer Gewinnermittlung hinsichtlich der Insolvenzmasse auf.
Nachdem eine solche nicht eingereicht wurde, schätzte der Antragsgegner die aus der Verwaltung der Insolvenzmasse erzielten Einkünfte unter Einbeziehung der bereits mitgeteilten Einnahmen aus Insolvenzanfechtungen auf 9.033 EUR und setzte mit Bescheid vom 05.09.2019 die Einkommensteuer 2017 unter Berücksichtigung der vom Insolvenzschuldner im insolvenzfreien Vermögen erzielten Einkünfte von 31.178 EUR auf 6.948 EUR, den Solidaritätszuschlag auf 382,14 EUR und die Zinsen auf 63 EUR fest. Entsprechend dem Verhältnis der erzielten Einkünfte aus der Verwaltung der Insolvenzmasse und im insolvenzfreien Vermögen wurden davon 1.560,80 EUR als Einkommensteuer 2017, 85,84 EUR als Solidaritätszuschlag 2017 sowie 14,15 EUR als Zinsen zur Einkommensteuer...