Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit der Vorsteuerabzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 1 b UStG mit dem Gemeinschaftsrecht. Verfahrensgegenstand. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Umsatzsteuer-Vorauszahlung Dezember 2000)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. An der Vereinbarkeit der Versagung von 50 % des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 b UStG mit dem Gemeinschaftsrecht bestehen ernstliche Zweifel.

2. Aus der sinngemäßen Anwendung von § 68 FGO ergibt sich, dass der Antragsteller berechtigt ist, den zunächst gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides nach Ergehen des Umsatzsteuer-Jahresbescheides fallen zu lassen, und statt dessen die Aussetzung der Vollziehung des Jahresbescheides zu beantragen.

 

Normenkette

UStG 1999 § 15 Abs. 1b; EWGRL 388/77 Art. 6, 17; FGO §§ 68, 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerjahresbescheids 2000 vom 26.09.2001 wird i.H.v. 2.729,– DM für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

2. Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vorsteuerabzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 1 b Umsatzsteuergesetz (UStG) mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren ist.

Die Antragstellerin (Astin.) betreibt in K. und B. Glaswarengeschäfte. Mit Datum vom 16.11.2000 erwarb sie einen Pkw der Marke Nissan, für den sie in der Umsatzsteuervoranmeldung November 2000 nach § 15 Abs. 1 b UStG 50 v.H. der Vorsteuerbeträge, die auf die Anschaffung entfielen, sowie der laufenden Betriebskosten geltend machte. Im Hinblick auf einen Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.11.2000 (Az.: V R 30/00) beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu der Frage, ob die Entscheidung des Rates der Europäischen Union vom 28.02.2000 zur Ermächtigung der Bundesrepublik, von den Artikeln 6 und 17 der Sechsten MwSt-Richtlinie abweichende Regelungen (Einschränkung des Vorsteuerabzugs) anzuwenden, rechtmäßig sei, erhöhte die Astin. im Rahmen ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Dezember 2000 ihre Vorsteuer um die bisher nach § 15 Abs. 1 b UStG ausgeschlossenen Beträge. Dieser Ansatz wurde vom Antragsgegner (Ag.) zusammen mit einer 50 v.H. Kürzung der Vorsteuerbeträge aus Miet- und Reparaturkosten für einen während einer Übergangszeit genutzten Pkw in dem Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2000 korrigiert. Mit dem dagegen eingelegten Einspruch macht die Astin. geltend, ihr stehe der volle Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und dem Betrieb sowohl des neuerworbenen als auch des gemieteten Fahrzeugs nach Art. 17 der 6. EG-Richtlinie zu, da § 15 Abs. 1 b UStG gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Die Ermächtigung der Bundesrepublik durch den Europäischen Rat vom 28.02.2000, rückwirkend abweichende Regelungen von Art. 17 der 6. EG-Richtlinie zu treffen, sei ungültig. Über den Einspruch hat der Ag. noch nicht entschieden; das Verfahren ruht nach § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

Der zusammen mit dem Einspruch gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für den Monat Dezember vom 17.04.2001 wurde mit Schreiben des Antraggegners vom 09.05.2001 abgelehnt. Mit dem am 31.05.2001 bei Gericht eingegangen Antrag verfolgt die Astin. ihr Begehren weiter.

Am 26.09.2001 erließ der Ag. den Umsatzsteuerjahresbescheid für 2000, in dem er – wie zuvor in dem Vorauszahlungsbescheid für den Monat Dezember 2000 – die Vorsteuerbeträge für den Pkw – Kauf und die Nutzung um 50 v.H. und somit i.H.v. 2.846,64 DM kürzte. Die Umsatzsteuer wurde auf 30.234,– DM festgesetzt; der Nachzahlungsbetrag wurde i.H.v. 2.729,– DM ausgewiesen.

Die Astin. beantragt nunmehr,

die Vollziehung des Umsatzsteuerjahresbescheides 2000 vom 26.09.2001 in Höhe von 2.846,64 DM auszusetzen.

Der Ag. tritt dem Antrag entgegen.

Er trägt vor, der angefochtene Bescheid entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Da auch die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden sei, sei die Vollziehung nicht auszusetzen, wenn zwar Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes erhoben werden, aber die öffentlichen Interessen einer Aussetzung entgegen stünden. Entsprechend interner Verwaltungsanweisungen berechtige der Vorlagebeschluss an den EuGH nicht, die Vollziehung auszusetzen, da die Rechte der Astin. ausreichend durch Vereinbarung der Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 AO gewahrt seien.

Wegen weiterer Sachverhaltseinzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht vorliegenden Steuerakten des Ag. verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist in Höhe von 2.729,– DM zulässig und begründet.

1. Die Astin. war befugt den zunächst gestellten Antrag auf Vollziehungsaussetzung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids 12/2000 fallen zu lassen und nunmehr die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerjahresbescheids 2000 zu beantragen. Dies ergibt sich aus einer sinngemäßen Anwendung des § 68 FGO. Nach dieser Norm wird ein na...

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