Entscheidungsstichwort (Thema)
Schul- und Heimunterbringungskosten für verhaltensauffälliges Kind nur bei vorab erstelltem amtsärztlichen Attest als Krankheitskosten abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens des Kindes kann eine Krankheit sein.
2. Ein Abzug der Aufwendungen der Eltern für die integrative Beschulung an einer Förderschule und die damit verbundene Betreuung des Kindes in einem Kinderheim als außergewöhnliche Belastungen (Krankheitskosten) ist aber grundsätzlich nur möglich, wenn vor Beginn der Maßnahme ein amtsärztliches Attest über die medizinische Notwendigkeit eingeholt worden ist (hier: keine Berücksichtigung des nachträglich im Jahr 2003 eingeholten Attestes des Gesundheitsamtes für Aufwendungen des Jahres 2001; Abziehbarkeit der Aufwendungen nur im Rahmen des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG).
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2, § 33a Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er ist Vater des am 21. Juni 1991 geborenen Sohnes P., der in seinem Haushalt gemeldet war und für den er 2001 Kindergeld in Höhe von DM 1.620,– erhielt.
Am 6. Juli 2000 stellte das Gesundheitsamt gegenüber dem Regionalschulamt nach einer Untersuchung des Jungen fest, dass bei diesem eine „ausgeprägte Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung mit Unruhe und erheblichen Konzentrationsschwierigkeiten im Sinne innerer Störfaktoren” bestehe. Er benötige unbedingt eine individuelle Beschulungsform, um seine ansonsten guten Möglichkeiten nutzen zu können. Dies müsste „auch bei einer in Erwägung gezogenen Beschulung des Jungen ausserhalb D.” Beachtung finden (Blatt 53 / 53 R der Rechtsbehelfsakte).
In der Folge stellte das Regionalschulamt Dr. mit Bescheid vom 22. August 2000 fest, dass für den Sohn des Klägers sozialpädagogischer Förderbedarf im Sinne der Förderschule für Erziehungshilfe bestehe. Er wurde daraufhin in der Grundschule G. nach § 3 der Schulintegrationsverordnung i.V.m. § 12 der Schulordnung Förderschulen integrativ beschult. Die Pflicht zum Besuch der Förderschule für Erziehungshilfe am Förderschulzentrum wurde für die Dauer der Integration ausgesetzt. Seine Unterbringung erfolgte Montag bis Freitag im Kinderheim W.. Der monatliche Kostenbeitrag des Klägers für den Besuch der Grundschule und die Unterbringung betrug im Streitjahr DM 417,–.
Gemäß einer ärztlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts Dr. vom 22. Mai 2003 (Blatt 49 der FG-Akten) besteht bei dem Sohn des Klägers einer „hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens”, die nach der internationalen Klassifikation der WHO als Krankheit klassifiziert wird. In der Stellungnahme wird weiter ausgeführt, dass der Sohn „seit dem Jahr 2000 aufgrund dieser psychischen Krankheit in G. integrativ beschult und von montags bis Freitags im Kinderheim W. betreut wird”.
In seiner Einkommensteuererklärung 2001 machte der Kläger u.a. Heimkosten in Höhe von DM 9.731 (Gesamtaufwand: DM 10.639,– abzüglich Beihilfen i.H.v. DM 908) sowie Fahrtkosten zur Wohnheim i.H.v. DM 4.090,– (86 Fahrten × 82 km × DM 0,58) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2002 setzte der Beklagte (das Finanzamt) unter Gewährung des hälftigen Ausbildungsfreibetrags die Einkommensteuer 2001 auf EUR 4.038,69 fest. Als außergewöhnliche Belastungen erkannte es dabei nur die für die Brille geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. DM 234,– an, welche sich wegen der Anrechnung einer zumutbaren Belastung in Höhe von DM 1.599,– (3 % von DM 53.332,–) steuerlich nicht auswirkten. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 legte der Kläger Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 setzte das Finanzamt – aus hier nicht streitigen Gründen – die Einkommensteuer auf EUR 3.787,65 herab und wies den Einspruch im übrigen als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass die für den Schulbesuch an der Grundschule G. entstandenen Kosten steuerlich anzuerkennen seien. Vom Regionalschulamt Dr. sei ein sozialpädagogischer Förderbedarf im Sinne der Förderschule festgestellt worden. Laut dem Bescheid vom 29. Mai 2002 des Regionalschulamts Dr. sei der Fortführung der Integration erneut stattgegeben worden. Das amtsärztliche Attestvom 22. Mai 2003 sei nur nachträglich eingeholt worden, um die im Attest vom 6. Juni 2000 bescheinigte Diagnose nachträglich als anerkannte Krankheit bescheinigen zu lassen. Selbstverständlich seien vor Einweisung in die Sonderschule alle notwendigen Untersuchungen und amtsärztlichen Bestätigungen erfolgt.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 die Einkommensteuer 2001 in der Höhe festzusetzen, die sich bei Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von insgesamt EUR 7.186,21 (DM 14.055,–) ergibt.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, dass die Aufwendungen des...