Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeit wegen Abfindung ausscheidender Mitarbeiter, die gleichzeitig Gesellschafter sind
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Arbeitnehmer, der gleichzeitig auch Gesellschafter der ihn beschäftigenden Kapitalgesellschaft ist, steht ein vertraglicher Anspruch auf eine Entlassungsentschädigung nicht bereits deshalb zu, weil die Geschäftsführung der Gesellschaft ihm für den Fall seines Ausscheidens eine Abfindung in Aussicht gestellt hat. Allein die Absichtserklärung berechtigt die Arbeitgeberin noch nicht zur Bildung einer Rückstellung für eine der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit.
2. Auch eine Rückstellung für eine dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeit darf nicht gebildet werden, wenn die Abfindung nicht aus betrieblichen Gründen für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern aus gesellschaftsrechtlichen Gründen für den mit der Entlassung nach (unzutreffender) Auffassung der Geschäftsführung einhergehenden Verlust des Gesellschaftsanteils gezahlt werden soll.
Normenkette
EStG 1990 § 5 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 4; KStG 1991 § 8 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der früheren P. (PGH), die 1992 in eine GmbH umgewandelt worden war, und deren Statut dem für verbindlich erklärten Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks entsprach – Musterstatut PGH …– (vgl. Verordnung über das Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 21.02.1973, GBl DDR I 1973, 121 ff.). Sie wendet sich gegen geänderte Bescheide vom 09.11.1999 über Steuerrate 1990, Körperschaftsteuer 1991, die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 01.01.1991 und zum 31.12.1991 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 1991, sämtliche Bescheide bestätigt mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2003. In den angefochtenen Bescheiden hatte der Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewinnmindernd gebildete Rückstellungen in Höhe von 114.000 DM zum 31.12.1990 und von weiteren 228.480 DM zum 31.12.1991 (Rückstellungsbetrag insgesamt 342.480 DM) für Abfindungsverpflichtungen gegenüber ausgeschiedenen Mitarbeitern, die zugleich PGH – Mitglieder waren, steuerlich nicht mehr berücksichtigt. Den Abfindungen zugrunde liegt, dass die damalige PGH … vor ihrer Umwandlung insgesamt 15 zwischen ihr und damaligen Mitgliedern bestehende Arbeitsverhältnisse gekündigt hatte. Betroffen von den insgesamt 15 Kündigungen, davon wirksam fünf im Streitjahr 1990 und weitere 10 im Streitjahr 1991, waren die Arbeitsvereinbarungen zwischen der PGH und ihren damaligen Mitgliedern B., C., E., F., H., K., K., K., K., L., R., S., T., W. und W..
Wegen der Einzelheiten der Arbeitsvereinbarungen und der ausgesprochenen Kündigungen wird Bezug genommen auf die Sachverhaltsschilderung im Klagebegründungsschriftsatz vom 20.10.2003 (Blatt 35 der Akte), die Kündigungsschreiben (Anlagen K 3.1 bis 3.15 zur Klagebegründung, Blatt 60 bis 74 der Akte) sowie auf die Arbeitsvereinbarungen (Schriftsatz der Klägervertreterin vom 12.06.2008, Blatt 144 bis 158 der Akte). Die PGH … ging davon aus, dass diesen vor der Umwandlung der PGH … in eine GmbH ausscheidenden Mitgliedern ein Anspruch auf Teilhabe an den unteilbaren Fonds der PGH … gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 08.03.1990 (PGH-VO) nicht zustand. In der Mitgliederversammlung der PGH … vom 14.12.1990 wurde einstimmig beschlossen, dass die ausscheidenden Mitglieder, denen gekündigt wurde und die mindestens 10 Jahre in der PGH … gearbeitet haben und danach Altersübergangsgeld beziehen, eine Abfindung erhalten. Auf Ziff. 5 des Versammlungsprotokolls vom 14.12.1990 wird Bezug genommen (Anlage K 5 zur Klagebegründung, Blatt 77 ff. der Akte). Ausweislich Ziff. 4 des Protokolls über die Mitgliederversammlung vom 14.12.1990 sprachen sich die anwesenden Mitglieder einstimmig für die Umwandlung der PGH … in eine GmbH aus. Bestimmungen über die Höhe der Abfindung hat die Mitgliederversammlung nicht getroffen. Im Anschluss hieran wurden nach klägerischem Vorbringen seitens des Vorstandes der PGH … Einzelgespräche mit den jeweils ausscheidenden Mitgliedern geführt, deren Arbeitsvereinbarung gekündigt worden war, in deren Rahmen den Ausscheidenden „mündlich auch die Zahlung einer Abfindung zugesagt” wurde – hierzu hat die Klägerin Beweis angeboten durch Vernehmung von T. (derzeitige Geschäftsführerin der Klägerin und ehemaliges Vorstandsmitglied der PGH …) und von G. (Vorstandsvorsitzender der PGH …).
In der Bilanz der PGH … zum 31.12.1990 (aufgestellt am 02.09.1991) wurde eine Rückstellung in Höhe von insgesamt 114.000 DM für Abfindungen an die fünf im Jahr 1990 ausgeschiedenen Mitarbeiter gebildet. In der Bilanz zum 31.12.1991 (aufgestellt am 15.06.1992) wurde eine weitere Rückstellung in Höhe von 228.480 DM für Abfindun...