Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitstellung von Speisen in einer Betriebskantine als dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung von Speisen aufgrund der dem Kantinenbetreiber nicht als reine Verzehrvorrichtungen zuzurechnenden Tische und Stühle
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abgabe von Speisen ist sowohl im Rahmen einer Lieferung als auch als sonstige Leistung möglich. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist die qualitative und nicht nur die quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung zu bestimmen. Soweit für den Verzehr Mobiliar wie Sitz- und Tischeinrichtungen zur Verfügung steht, ist zu berücksichtigen, dass das bloße Vorhandensein von Mobiliar, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement angesehen werden kann, das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen.
2. Bietet ein Unternehmer in einer Betriebskantine seines Auftraggebers Speisen an, so stellt der unter anderem mit Tischen und Stühlen ausgestattete Raum, der sich an die Küche und den Ausgabebereich der Kantine anschließt, keine vom Unternehmer zur Verfügung gestellte, verzehrfördernde Einrichtung dar, wenn er
- ein allgemeiner Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter und Besucher des Auftraggebers ist, den diese unabhängig davon, ob der Kantinenbetreiber Essen ausgibt oder nicht, nutzen können,
- zwar nur der Kantinenbetreiber über die Betriebskantine Speisen anbietet und die Tische und Stühle auch für den Verzehr der Speisen des Kantinenbetreibers genutzt werden, sie jedoch von der Belegschaft sowie Gästen des Betriebs auch für den Verzehr von selbst mitgebrachter Verpflegung oder auch ohne Einnahme von Speisen verwendet werden dürfen,
- der Raum „rund um die Uhr”, auch außerhalb der eigentlichen Kantinenöffnungszeiten, geöffnet ist und auch für Betriebsversammlungen und Vergleichbares genutzt wird und wenn die Sitzgelegenheiten und Tische somit insgesamt gesehen keine reinen Verzehrvorrichtungen darstellen, sondern auch vielen anderen Zwecken dienen (Abgrenzung zu FG München, Urteil v. 28.8.2018, 14 K 2036/16). Die Bereitstellung von Speisen in der Betriebskantine stellt daher auch dann eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung von Speisen dar, wenn der Kantinenbetreiber zur Sauberhaltung des Raumes einschließlich der sich dort befindlichen Möbel verpflichtet ist, die Speisen auch auf Mehrweggeschirr und -besteck ausgibt und die Reinigung des Geschirrs vornimmt.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1, § 3 Abs. 1, 9; UStG Anl. 2; MwStSystRL Art. 14, 26; MwStVO Art. 6 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2011, 2012 und 2013 jeweils vom …. in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …. werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer für 2011 um EUR …, für 2012 um EUR … und für 2013 um EUR … reduziert wird. Der Ablehnungsbescheid vom … und die Einspruchsentscheidung vom … werden aufgehoben und die Umsatzsteuerbescheide für 2014 vom …, für 2015 vom … und für 2016 vom … werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer für 2014 um EUR …, für 2015 um EUR … und für 2016 um EUR … reduziert wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Leistungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Speisen in einer Betriebskantine.
Der Kläger betreibt auf Grundlage des Bewirtschaftungsvertrages vom … seit … 2007 eine Betriebskantine bei der X GmbH (künftig: X) in ….
Nach dem Bewirtschaftungsvertrag war der Kläger verpflichtet Speisen in Form von Tellergerichten und Imbissen anzubieten. Zu diesem Zweck überließ der X ihm die Räumlichkeiten unentgeltlich. Die Küche und der Ausgabebereich waren durch eine Ausgabetheke, über die die Speisen den Kunden des Klägers zur Verfügung gestellt wurden, von einem weiteren Bereich mit Tischen und Sitzgelegenheiten getrennt. Dieser Bereich diente nicht nur zum Verzehr der bei dem Kläger erworbenen Speisen, sondern war der offizielle Pausenraum für die Mitarbeiter des X in ihren Pausen und vor Beginn ihrer Schicht. In dem Raum standen auch zwei von einem anderen Unternehmen betriebene Automaten, in denen Getränke und heiße Suppen angeboten wurden. Die Mitarbeiter durften in dem Raum sowohl die Getränke und Suppen aus dem Automaten als auch selbst mitgebrachte Speisen und Getränke verzehren. Ferner konnten die Mitarbeiter des X die Sitzplätze auch für andere Tätigkeiten wie Lesen, Handy- oder Kartenspie...