Rz. 9
Nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 sind die Rehabilitationsträger gemeinsam dafür verantwortlich, dass Abgrenzungsfragen einvernehmlich geklärt werden. Die Vorschrift zielt insbesondere auf eine schnelle Klärung der Zuständigkeit zwischen den Rehabilitationsträgern
- sowohl bei speziellen Leistungen (Leistungsspektrum) als auch
- generell nach der Antragstellung (spezielle Zuständigkeitsregelung der §§ 14 bis 16) ab.
Zu a)
In der Vergangenheit war zwischen den Rehabilitationsträgern immer wieder strittig, ob – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen – eine spezielle Leistung zu dem Leistungsspektrum des einen oder anderen Rehabilitationsträgers zählt. Zu nennen ist hier z. B.
- das LPF-Training (Lernen praktischer Fähigkeiten bei blinden Menschen) oder
- die Adaption im Anschluss an eine (Sucht)Entwöhnung bei abhängigkeitskranken Jugendlichen oder
- die Übernahme der Kosten für einen Kraftknoten (System zur Sicherung von Personen und Rollstühlen im Fahrzeug).
Der Gesetzgeber legt besonderen Wert darauf, dass die Klärung dieser Fragen zum Leistungsspektrum schnell und zwischen den Rehabilitationsträgern einvernehmlich erfolgt, um jahrelange Streitigkeiten, zusätzliche Verwaltungsarbeit und vor allem ein Hinauszögern von Leistungen zu vermeiden. Im Vordergrund steht hier die Information an die anderen Rehabilitationsträger, damit unnötige Weiterleitungen von Anträgen auf Teilhabeleistungen vermieden werden.
zu b)
Durch die klaren Zuständigkeitsregelungen der §§ 14, 15 wurde die Problematik, dass dem Rehabilitanden deshalb Leistungen vorenthalten werden, weil die letztendliche Zuständigkeit zwischen den Rehabilitationsträgern nicht geklärt ist, im Wesentlichen behoben; denn ungeachtet der letztendlichen Zuständigkeit hat der erstangegangene oder – wenn dieser den Rehabilitations-/Teilhabeantrag rechtzeitig weiterleitet – der zweitangegangene Rehabilitationsträger innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit über die beantragte Leistung zu entscheiden (vgl. § 14 Abs. 1 und 2). Dadurch stellt der Gesetzgeber sicher, dass der behinderte bzw. von Behinderung bedrohte Mensch ungeachtet des letztendlich zuständigen Rehabilitationsträgers die von ihm benötigten Teilhabeleistungen zügig erhält.
Die Rehabilitationsträger klären dann ihre letztendliche Zuständigkeit im Innenverhältnis untereinander. Im Innenverhältnis gibt nämlich § 16 dem Rehabilitationsträger, der die Leistung im Verhältnis zum Anspruchsberechtigten erbracht hat, die Möglichkeit, gegen den letztendlich zuständigen Rehabilitationsträger einen Erstattungsanspruch in Höhe der von ihm erbrachten Leistungen geltend zu machen. Für den sog. "zweitangegangenen" Rehabilitationsträger ergibt sich nämlich eine aufgedrängte, künstliche Zuständigkeit zur Erbringung der Leistung, der er sich nicht entziehen kann ("Zuständigkeit im Außenverhältnis"; BSG, Urteile v. 26.6.2007, B 1 KR 34/06 R, v. 14.12.2006, B 4 R 19/06 R, sowie v. 29.6.2023, B 1 KR 23/22 R).
Rz. 10
Zur Ausgestaltung des in den §§ 14 und 15 vorgegebenen Zuständigkeitsverfahrens haben die Rehabilitationsträger (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5) sowie die Integrationsämter unter Federführung der BAR die Gemeinsame Empfehlung "Reha-Prozess" verabschiedet (vgl. Rz. 5). Näheres hierzu – auch zur "Turbo-Klärung" des § 14 Abs. 3 SGB IX – ergibt sich aus den §§ 19 bis 24, 29 ff. und S. 72 ff. der Gemeinsamen Empfehlung sowie aus der Kommentierung zu den §§ 14 bis 16 SGB IX.
Anzumerken ist, dass in der Praxis dieser Gemeinsame Empfehlung im Verhältnis zu den anderen Gemeinsamen Empfehlungen die höchste Bedeutung zuteilgeworden ist. Dies liegt daran, dass Rehabilitationsträgern Sanktionen auferlegt werden, wenn sie schuldhaft Fristen versäumen (vgl. § 16 Abs. 4 SGB IX). Durch diesen "Kunstgriff" des Gesetzgebers ist zumindest sichergestellt, dass Probleme zur Abgrenzung von Leistungen und damit zur Zuständigkeit zwischen den Rehabilitationsträgern in der Praxis nur noch selten auftreten.