Rz. 7
Durch die medizinische Rehabilitation sollen nicht nur vorübergehende schädigungsbedingte Fähigkeitsstörungen oder Beeinträchtigungen in der Teilhabe (§ 4) vermieden, beseitigt oder gebessert werden. Die Rehabilitationsleistungen sind darauf auszurichten, dem Leistungsberechtigten eine entsprechende umfassende Teilhabe im schulischen/beruflichen Leben und am Leben in der Gemeinschaft/Gesellschaft zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer zu ermöglichen. Ziel der medizinischen Rehabilitation ist also entsprechend § 1 und § 4 Abs. 1 die zügige Eingliederung bzw. Wiedereingliederung eines behinderten Menschen in dessen "normalen" Lebensalltag (insbesondere Sicherung der Fähigkeiten zur Erledigung der eigenen Versorgung, der Fortbewegung, der Kommunikation, der beruflichen und sozialen Integration/Inklusion). Entscheidend sind das Erreichen des Einbezogenseins des Rehabilitanden in allen seinen ihm wichtigen Lebensbereichen und die Beseitigung von behinderungsbedingten Barrieren bei der sozialen Teilhabe.
Das Rehabilitationsziel kann erreicht werden durch
- die vollständige oder größtmögliche Wiederherstellung der ursprünglichen körperlichen Strukturen und Funktionen bzw. der Fähigkeiten und der sozialen Rolle (z. B. Wiedererlernen des Sprechens bei ausgefallener Sprechfähigkeit aufgrund eines neurologischen Leidens),
- den Einsatz von "Ersatzstrategien" zur Nutzung der verbliebenen Funktionen bzw. Fähigkeiten (Kompensation; Erlernen der kontrollierten Notdurft bei Tetraplegie),
- die Anpassung der Umweltbedingungen an die Fähigkeitsstörungen bzw. Beeinträchtigungen des Rehabilitanden (Adaptation; z. B. Versorgung mit einem Badewannenlift bei eingeschränkter Mobilität).
Das individuelle Rehabilitationsziel wird i. d. R. auf der Grundlage sozialmedizinischer Aussagen zur Rehabilitationsbedürftigkeit (vgl. Rz. 5), zur Rehabilitationsfähigkeit (vgl. Rz. 6) und zur Rehabilitationsprognose (vgl. Rz. 8) des Rehabilitanden bestimmt.
Aufgrund des gegliederten sozialen Systems innerhalb der Bundesrepublik Deutschland verfolgen die Rehabilitationsträger aufgrund ihrer unterschiedlichen rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften (§ 7 Abs. 1) folgende trägerspezifische Rehabilitationsziele:
Krankenversicherung:
- Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit
- nach Eintritt einer Behinderung: Beseitigung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung einer Behinderung
(vgl. § 11 Abs. 2 SGB V).
Rentenversicherung:
Überwindung bzw. Entgegenwirken der Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten; dadurch sollen die Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit des Versicherten oder sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhindert und der Versicherte möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder eingegliedert werden (vgl. § 10 SGB VI),
Unfallversicherung:
Beseitigung, Besserung oder Vermeidung einer Verschlimmerung des durch den Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit verursachten Gesundheitsschadens und der dadurch bestehenden Folgen; dadurch soll der Verletzte möglichst auf Dauer beruflich eingegliedert werden (vgl. § 26 SGB VII),
Kriegsopferversorgung:
Beseitigung, Besserung, Überwindung oder Verhütung einer Verschlimmerung
- der Gesundheitsstörungen oder der durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit,
- der Pflegebedürftigkeit,
- Behebung der körperliche Beschwerden,
- Erleichterung der Folgen der Schädigung
zum Zweck der Eingliederung des betroffenen Menschen auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft
(vgl. § 10 Abs. 1 BVG).
öffentliche Jugendhilfe:
- Verhütung einer drohenden seelischen Behinderung des Kindes/Jugendlichen,
- Beseitigung oder Minderung eine Behinderung bzw. deren Folgen zum Zweck der Eingliederung des behinderten Kinder/Jugendlichen in die Gesellschaft.
Ziel ist, den Kindern/Jugendlichen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (vgl. § 35a SGB VIII).
Eingliederungshilfe:
- Verhütung einer drohenden Behinderung,
- Beseitigung oder Milderung einer bereits eingetretenen Behinderung oder deren Folgen zum Zweck, den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.
Ziel ist, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft/Gesellschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihn die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 SGB XII bis zum 31.12.2019; vgl. Art. 13 BTHG).
Aufgrund des § 4 Abs. 2 Satz 2 hat der zuständige Rehabilitationsträger die Leistungen im Rahmen seiner für ihn geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität zu erbringen, dass Leistungen eines anderen Rehabilitationsträgers nic...