Rz. 20
Die medizinische Rehabilitation bezieht sich nicht nur auf einzelne Organe oder Körperabschnitte, sondern betrachtet das gesamte Individuum des behinderten bzw. von einer Behinderung bedrohten Menschen als Rehabilitationssubjekt. Im Sinne der Ganzheitlichkeit der Behandlung sind multiprofessionelle und interdisziplinäre Handlungsschemata – auch unter Berücksichtigung der Bezugspersonen und der unmittelbaren Umwelt und Mitwelt des Rehabilitanden – notwendig, um das Rehabilitationsziel langfristig zu sichern. Da die Einstellungen und Verhaltensweisen des kranken bzw. behinderten Menschen dessen Rehabilitationserfolg nachhaltig beeinflussen, regelt Abs. 3, dass zu den medizinischen Rehabilitationsleistungen neben den medizinischen Hilfen auch
- psychosoziale und
- pädagogische
Hilfen gehören. Ein Anspruch auf psychosoziale und pädagogische Hilfen besteht allerdings nur, wenn diese im Einzelfall erforderlich sind, um zügig und effizient die medizinischen Rehabilitationsziele zu erreichen oder zu sichern.
Zu a)
Die psychosozialen Hilfen dienen vor allem
- der Erhaltung und Förderung alltagspraktischer, kognitiver und sozialer Fertigkeiten sowie
- der Unterstützung der psychisch und/oder körperlich erkrankten Menschen bei der psychischen Bewältigung ihrer Erkrankung.
Zu b)
Zu den pädagogischen Hilfen zählen insbesondere die auf Vorbeugung/Beseitigung einer Behinderung ausgerichteten heilpädagogische Hilfen in Form der Frühförderung (z. B. Anlernen der Eltern, welche Verhaltensweisen angezeigt sind, damit das Kind das medizinische Rehabilitationsziel erreicht), wobei die pädagogischen Hilfen nicht mit den sozialpädagogischen Hilfen des SGB VIII (Hilfen zur Erziehung) zu verwechseln sind.
Rz. 21
Bei den Hilfen nach Abs. 3 handelt es sich vorwiegend um individuell unterstützende Maßnahmen zur Förderung der psychischen Situationsbewältigung und des krankheits- bzw. behinderungsbedingten Verhaltens. Hohe Bedeutung genießen diese Leistungen z. B. bei Abhängigkeitskranken, weil Rehabilitationsleistungen erst dann sinnvoll sind, wenn der Betroffene seine Abhängigkeit bewusst erkannt hat und motiviert ist, sein Suchtverhalten zu ändern.
Rz. 22
Zu den in Abs. 3 aufgeführten Teilleistungen, die im Rahmen der Komplexleistungen der medizinischen Rehabilitation notwendig werden können, zählen u. a.
- die Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung (dient der Bewältigung von krankheits- bzw. behinderungsbedingten Lebensproblemen; Krankheits- bzw. Krankheitsfolgebewältigung; z. B. psychologische Hilfe beim seelischen Auseinandersetzen damit, dass man aufgrund einer Querschnittlähmung zukünftig an dem Rollstuhl "gefesselt" sein wird),
- Hilfen zur Aktivierung von Selbsthilfepotentialen (meist psychologisch gestützte Besinnung auf die eigenen Stärke des Rehabilitanden und Hilfe zur Nutzung dieser Stärken zur Überwindung der körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionsstörungen; sie soll bei passiver Haltung (Angst, empfundener Hilflosigkeit, Depression, Isolierung) die Änderung der Einstellung zur eigenen Person und die Förderung von eigenen Aktivitäten bewirken),
- mit Zustimmung der Leistungsberechtigten: die Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen mit dem Ziel, dass der Rehabilitand mit Hilfe dieser Personen zügig die behinderungsbedingten Barrieren überwindet
- die Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfeeinrichtungen (z. B. behinderungsspezifische Selbsthilfegruppen; vgl. auch Komm. zu § 45) und zu Beratungsmöglichkeiten (z. B. Suchtberatungsstelle) mit dem Ziel der Sicherung des Rehabilitationserfolges (die Leistungen dienen insbesondere dazu, Rückfälle zu vermeiden und soziale Kontakte zu gleichartig Erkrankten herzustellen),
- die Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen (dient dem Aufbau einer selbstsicheren Persönlichkeit; versucht, die soziale, emotionale und psychische Befindlichkeit des Kranken/Behinderten zu unterstützen, z. B. Hirnleistungstraining),
- das Training von lebenspraktischen Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags (z. B. Training bei blinden Menschen, damit diese möglichst selbstständig und ohne fremde Hilfen ihren Alltag bestreiten können),
- die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (Dient der Bewältigung von Ängsten und seelischen Problemen, um die Isolation zu überwinden oder um zumindest die Einsicht zu stärken, das medizinische Rehabilitationsangebot, welches eine Verbesserung der Krankheits-/Behinderungsproblematik zum Inhalt hat, in Anspruch zu nehmen; z. B. Hilfe, damit der Abhängigkeitserkrankte, der seine Entwöhnungstherapie abbrechen möchte, die Notwendigkeit für die Fortführung der Rehabilitationsmaßnahme erkennt).
Da der Gesetzgeber vor der Aufzählung der Leistungen das Wort "insbesondere" verwendet, ist die in Abs. 3 aufgef...