Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenung von umsatzsteuerbarer Leistung zu inkriminierter Handlung
Leitsatz (amtlich)
Für die Beurteilung, ob eine umsatzsteuerbare Leistung oder eine inkriminierte Handlung vorliegt, die mangels eines entsprechenden Marktes in der Europäischen Union nicht der Umsatzsteuer unterliegt, ist nicht isoliert auf die Handlung, sondern auf den durch den Leistungsempfänger abgegoltenen Leistungserfolg abzustellen. Ausführungen zur Frage, ob und gegebenenfalls wie das im Ertragssteuerrecht geltende Verbot der Doppelbelastung bei einer Besteuerung und gleichzeitigen strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im Rahmen der Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist.
Normenkette
UStG §§ 1, 10
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Besteuerung sog. "Schmiergeldzahlungen".
Der Antragsteller erzielte im Streitjahr 2010 u. a. Einkünfte aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei einem mit Hauptsitz in A ansässigen Mineralölhandel. Er wurde von seinem Arbeitgeber als Leiter eines Mineralöllagers in C eingesetzt. In diesem Lager wurden unmittelbar Tanklastzüge mit Kraftstoffen befüllt.
Dem Antragsteller wird von der Staatsanwaltschaft C vorgeworfen, bei der Befüllung von Tanklastzügen des E die Abfüllanlage derart manipuliert oder umgangen zu haben, dass das als Heizöl deklarierte Mineralöl nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, eingefärbt wurde, sondern uneingefärbt als Dieselkraftstoff das Tanklager verlassen konnte. Zudem wird dem Antragsteller vorgeworfen, in einem Teil der Fälle das Mineralöl gar nicht aufgezeichnet zu haben, sodass es das Tanklager verlassen konnte, ohne dass dies aufgezeichnet, berechnet und versteuert werden konnte. Im Gegenzug habe der Antragsteller Bestechungsgelder in den Jahren 2010 ff. in erheblichem Umfang erhalten, welche der Antragsgegner - auch in dem hier streitigen Jahr 2010 - der Umsatzsteuer unterwarf. Der insoweit erhebliche Sachverhalt stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:
Am 29. November 2018 gab der anderweitig verfolgte Unternehmer E eine Erklärung gegenüber dem Zollfahndungsamt L ab. Er erklärte im Wesentlichen, dass er dem Antragsteller Geldzahlungen dafür gewährt habe, dass ihm dieser uneingefärbtes Heizöl verschafft habe, was insofern zu einer Hinterziehung der Mineralölsteuer geführt habe. In diesem Zusammenhang beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft zusammen mit dem Zollfahndungsamt L Anfang 2019 in einem Schließfach des Antragstellers Bargeld in Höhe von rund ….. €, sowie …. Goldbarren zu je 100 g.
Am 12. März 2019 leitete daraufhin das Finanzamt für zentrale Prüfungsdienste C (Steuerfahndungsstelle) ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller ein, welches sich auf die Einkommen- und Umsatzsteuer bezog. Da Heizöl und Dieselkraftstoff weitestgehend identisch seien, aber einem unterschiedlichen Steuersatz unterlägen (Heizöl 61,35 €/1000 l, Dieselkraftstoff 470,40 €/1000 l) dürfe Heizöl nur mit farblicher Kennzeichnung abgegeben werden. Die farbliche Kennzeichnung des Heizöls werde dabei mittels einer Vorrichtung, die durch Zollplomben gegen Manipulationen gesichert sei, bei der Abgabe durch den zugelassenen Einlagerer - hier die Firma O - sichergestellt. Der bei der benannten Firma angestellte Antragsteller habe es dem E ermöglicht, nicht eingefärbtes Heizöl zu erwerben, welches dieser als Dieselkraftstoff weiterveräußert habe. Auch habe er dem E nicht eingefärbtes Heizöl gänzlich ohne Berechnung abgegeben. Für beide Tätigkeiten habe der Antragsteller größere Beträge erhalten, welche gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Die Einleitung des Strafverfahrens wurde dem Antragsteller mit Verfügung vom 5. August 2019 bekannt gegeben. Der Antragsteller ließ sich über seinen Verteidiger u.a. dahingehend ein, dass er die Beimischung des bei der Abfüllung des Heizöls zuzusetzenden Farbstoffes unterbunden habe, ohne dass dies für das System erkennbar gewesen sei. Diese Form der nichtbestimmungsgemäßen Bedienung der Anlage habe der Antragsteller im Rahmen eines Störfalls entdeckt; auch der Erhalt von Bestechungsgeldern werde eingeräumt.
In den Berichten des Finanzamts für zentrale Prüfungsdienste über die steuerlichen Ermittlungen beim Antragsteller vom 26. November 2019 und vom 28. November 2019 wurde u. a. Folgendes festgestellt: Der Zeuge E habe ausgesagt, für die Verhinderung der Einfärbung anfangs 1.000 € je Lastzug und später 3.000 € je Lastzug erhalten zu haben. Im Rahmen einer Besprechung mit dem Zollfahndungsamt sei dann eine von E erstellte Liste ausgehändigt worden, welche die tatrelevanten Einkünfte von ungefärbtem Heizöl und die gezahlten "Provisionen" enthalte. Danach seien "Standardprovisionen" zwischen 650 € und 3.000 € für die Befüllung eines Lastzuges und teilweise zusätzliche "Provisionen" für Betankungen, die nicht mit der Firma O abgerechnet worden seien, zwischen 2.850 € und 19.750 € bezahlt worden. Auf das Jahr 2010 seien danach "Standardpr...