Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ruhen des die Steuerfestsetzung betreffenden Verfahrens wegen eines zu spät gestellten Erlassantrages Zur Umsatzsteuerpflicht von im Rahmen eines im Inland betriebenen Adviesbureau erzielten Umsätzen, welche an In- und europäische Ausländer erbracht wurden
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem zu spät gestellten Erlassantrag ist es unter Abwägung insbesondere prozessökonomischer Gesichtspunkte und der Interessen der Beteiligten ermessensgerecht einem Antrag auf Ruhen / Aussetzung des Verfahrens nicht zu entsprechen um weitere Verzögerungen des Rechtsstreits zu vermeiden.
Zur Umsatzsteuerpflicht von im Rahmen eines im Inland betriebenen Adviesbureau erzielten Umsätzen, welche an In- und europäische Ausländer erbracht wurden; keine analoge Anwendung von § 27 Abs. 19 UStG und § 13b Abs. 5 S. 7 UStG auf dort nicht genannte Fälle.
Normenkette
FGO § 74; UStG §§ 1, 13b, 27
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Umsätze, welche die Klägerin im Rahmen ihres sog. Adviesbureau erbracht hat, im Inland von ihr zu versteuern sind.
Die Klägerin ist Bilanzbuchhalterin. Nach der Beendigung einer Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt übernahm sie einen Mandantenstamm, welchen sie nach deutschem Recht nicht betreuen durfte. Daraufhin meldete sie ein Adviesbureau unter einer Adresse in den Niederlanden an; die weiteren Einzelheiten hierzu sind streitig. Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren gegenüber ihren Kunden Beratungsleistungen wie z.B. die Ermittlung von Einkünften und/oder Erstellung von Steuererklärungen. Für die Streitjahre 2006 bis 2009 reichte sie keine Umsatzsteuererklärungen bei den inländischen Finanzbehörden ein.
Im Rahmen einer in der Zeit vom 13. Juli 2011 bis zum 22. Dezember 2014 mit Unterbrechungen bei der Klägerin durchgeführten Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin Umsätze aus einem in den Niederlanden angemeldeten Adviesbureau erzielt. Im Rahmen dieser Prüfung wurden Ausgangsrechnungen des Adviesbureaus sichergestellt, welche sich lediglich auf 20 % des Mandantenstamms des Adviesbureaus bezogen haben sollen. Die Rechnungen wurden ohne eine Hinzuschätzung weiterer möglicher Beträge als Umsatzerlöse, die der Besteuerung in Inland unterliegen, festgestellt.
Während einer durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme in den Räumlichkeiten der A GmbH & Co.KG in C, deren Geschäftsführerin die Klägerin war, wurde festgestellt, dass die Tätigkeit des Adviesbureaus überwiegend in den Räumen der A GmbH & Co.KG betrieben wurde. Es wurden dort sämtliche für die Betreuung der entsprechenden Mandanten erforderlichen Unterlagen, Firmenstempel, EDV-Daten usw. sichergestellt.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin wurde ein Rechtshilfeersuchen in die Niederlande angestrengt. Aus der Antwort der niederländischen Finanzbehörde ist zu erkennen, dass von der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 folgende Umsatzbesteuerungen in den Niederlanden vorgenommen wurden:
2006:
./.
2007:
|
Umsatz |
Steuer |
Umsätze 19 % |
8.678,00 |
1.649,00 |
nicht steuerbar |
30.652,00 |
|
Vorsteuer |
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-255,00 |
gesamt |
39.330,00 |
1.394,00 |
2008:
|
Umsatz |
Steuer |
Umsätze 19 % |
5,715,00 |
1.086,00 |
nicht steuerbar |
35.434,00 |
|
Vorsteuer |
|
-127,00 |
gesamt |
41.149,00 |
959,00 |
2009:
|
Umsatz |
Steuer |
Umsätze 19 % |
11.466,00 |
2.178,00 |
nicht steuerbar |
16.597,00 |
|
Vorsteuer |
|
-130,00 |
gesamt |
28.063,00 |
2.048,00 |
Darüber hinaus wurde von der niederländischen Behörde eine Befragung von Herrn E vorgenommen. Dieser teilte u.a. mit, dass die Klägerin ein "separates Zimmerchen" in seiner Wohnung in den Jahren von 2004-2005 bis 2011 angemietet habe, welches nicht verschlossen und dessen Tür auch nicht mit einem Schloss versehen gewesen sei. Sie habe sich unter seiner Adresse auch in der niederländischen Handelskammer eingetragen. Die Klägerin sei in den Jahren insgesamt ca. 16 Mal in den Niederlanden gewesen. Häufigere Anwesenheiten hätten nicht vorgelegen. Versehentlich für die Klägerin geöffnete Post sei an sie weitergeleitet worden.
Die Steuerfahndung ging davon aus, dass die Durchführung der Geschäfte des Adviesbu-reaus von C aus erfolgte. Unter Berücksichtigung der bei Durchsuchung aufgefundenen Rechnungen/Daten legte sie für die Jahre Bruttoumsätze zugrunde, welche das Finanzamt in den ersten Steuerbescheiden für die Streitjahre heranzog, die jeweils herausgerechneten Nettoumsätze der Besteuerung zugrunde legte und dabei keine Vorsteuern anerkannte.
Die auf dieser Berechnung ergangenen Steuerbescheide für die Jahre datieren auf den 30. März 2015 und weisen folgende Umsätze aus:
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2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
16 % |
28.711 (Steuer 4.593,76) |
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19 % |
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77.980 (Steuer 14.816,20) |
58.800 (Steuer 11.172) |
41.404 (Steuer 7.866,76) |
Gegen diese Bescheide wandte sich die Klägerin mit ihren form- und fristgerecht eingegangenen Einsprüchen. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, die geschätzten Umsätze beruhten allein auf Indizien und seien grob fehlerhaft und willkürlich. Es sei im Rahmen der Steuerfahndungsprüfu...