Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung einer Widerrufsbelehrung trotz fehlenden gesetzlichen Widerrufsrechts (hier wegen Haustürsituation) nicht automatisch als Vereinbarung eines voraussetzungslosen, freien Widerrufsrechts zu deuten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gesetzliches Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften (§ 312 Abs. 1 BGB bzw. vormals § 1 HWiG a.F.) steht dem Bürgen nur zu, wenn er Verbraucher i.S.v. § 13 BGB ist.
2. Es ist zweifelhaft, ob immer dann, wenn ein gesetzliches Widerrufsrecht tatsächlich nicht besteht, aus der bloßen (vorsorglichen) Erteilung einer Widerrufsbelehrung auf die Einräumung eines sog. voraussetzungslosen, freien Widerrufsrechts geschlossen werden kann. Eine solche Schlussfolgerung hätte nämlich zur Folge, dass es auf die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrechts nicht mehr ankäme und die betreffenden Vorschriften letztlich leer liefen.
3. Bei einem Bürgschaftsvertrag mit einem Unternehmer mit Vereinbarung eines freien Widerrufsrechts findet die Verbraucherrechtsprechung zum Fristbeginn bei Widerrufsbelehrungen mit der Klausel "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" keine Anwendung.
Normenkette
BGB §§ 13-14, 312 Abs. 1, § 765 Abs. 1; HTürGG a.F. Art. 1
Verfahrensgang
LG Flensburg (Beschluss vom 11.10.2013) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 15.11.2013 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Flensburg vom 11.10.2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die gerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung der Kammer sowie der Nichtabhilfeentscheidung vom 18.11.2013 zurückzuweisen. Die Ausführungen des Beklagten aus der Beschwerdebegründung vom 15.11.2013 sowie aus dem ergänzenden Schriftsatz vom 26.11.2013 rechtfertigen keine andere Entscheidung. Zu Recht hat die Kammer den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus den streitgegenständlichen drei Bürgschaften (Bürgschaft 1 vom 13.7.2006 über 2.000.000 EUR, Anlage K1; Bürgschaft 2 vom 13.7.2006 über 1.500.000 EUR und Bürgschaft 3 vom 5.4.2007 über 4.345.981 EUR, Anlage K5) einen Anspruch auf Zahlung in Höhe der mit der Teilklage geltend gemachten 3.000.000,- EUR (aus der Bürgschaft 1 i.H.v. 775.000 EUR, aus der Bürgschaft 2 i.H.v. 550.000 EUR und aus der Bürgschaft 3 i.H.v. 1.675.000 EUR). Der Zahlungsanspruch folgt aus § 765 Abs. 1 BGB.
Die Bürgschaftsverträge sind weder nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig, noch sind die Hauptforderungen und die jeweiligen Bürgschaftsansprüche selbst gem. §§ 195, 199 BGB verjährt. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Die Bürgschaften sind nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Auf die entsprechenden Ausführungen des Senats in der Beschwerdeentscheidung vom 30.8.2010 (5 W 6/10 = LG Flensburg 2 O 315/09) wird vollumfänglich Bezug genommen. Behauptet der Bürge, er sei Strohmann und habe die Haftung für Gesellschaftsschulden allein aus enger persönlicher Verbundenheit zu einem Mitgesellschafter übernommen, so muss er sowohl diese Tatsache als auch die Kenntnis des Gläubigers davon darlegen und beweisen. Es fehlen Darlegungen, wo, wann und wie der Beklagte die Klägerin bzw. deren Mitarbeiter in die wirtschaftlichen Hintergründe seiner Gesellschaftsbeteiligung sowie der Bürgschaft einbezogen haben will. Die Vernehmung der angebotenen Zeugin X stellt deshalb einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.
2. Soweit der Beklagte erstmals mit der Beschwerdebegründung am 15.11.2013 die vorgenannten Bürgschaften 1 und 2 (über 2.000.000 EUR und 1.500.000 EUR) widerrufen hat, geht dieser Widerruf ins Leere.
a) Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht nicht. Die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB sind auch nicht entsprechend auf Bürgschaftsverträge anzuwenden (BGH, Urt. v. 21.4.1998 - IX ZR 258/97, NJW 1998, 1939, 1940 f.). Ein gesetzliches Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften (§ 312 Abs. 1 BGB bzw. vormals § 1 HWiG a.F.) steht dem Beklagten ebenfalls nicht zu. Das Haustürwiderrufsrecht ist auf Bürgschaftsverträge nur dann anwendbar, wenn sowohl der Bürge als auch der Hauptschuldner Verbraucher i.S.v. § 13 BGB sind (OLG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2006 - 9 U 45/05, OLGReport Frankfurt 2006, 1897). Weder die Hauptschuldnerin (Y-GmbH) noch der Beklagte waren Verbraucher i.S.v. § 13 BGB. Vielmehr war der Beklagte zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahmen maßgeblich über die Y-GmbH & Co. KG an der Hauptschuldnerin gesellschaftsrechtlich beteiligt. Die in dem Verfahren OLG Schleswig 5 W 6/10 vorgelegten Vermögensaufstellungen sahen eine KG-Beteiligung von 44,2 % zum 31.12.2005 bzw. 46,4 % zum 31.12.2006 vor. Im Hinblick auf diese Gesellschafterbeteiligung und die aktive Mitarbeit des Beklagten in den Gesellschaften d...