Rückzahlung nicht zwingend vorgegeben: Zur Rückzahlung hat sich der Gerichtshof ebenfalls bereits in früheren Entscheidungen geäußert. In diesen stellte er fest, dass sich aus dem Unionsrecht nicht (per se) die Anforderung ergebe, dass L – wenn er eine Steuer berichtigen will, die er gem. Art. 203 MwStSystRL allein wegen des gesonderten Ausweises auf einer Rechnung schuldet – die erstatteten MwSt-Beträge an LE zurückzahlen müsse ("Rückzahlungserfordernis"). Unter anderem in seinen Urteilen ‚Genius Holding‘ und ‚Schmeink & Cofreth‘ stellte er vielmehr fest, dass es Sache der MS sei, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden könne. Hierbei seien die nachfolgenden Grundsätze zu beachten.
Steuerschuld bei Steuergefährdung: Das europäische Mehrwertsteuerrecht enthalte mit Art. 203 MwStSystRL eine Regelung darüber, dass Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet werde, die diese Steuer in einer Rechnung ausweise. Durch diese Regelung solle der Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ergeben könne.
Korrektur bei Gutgläubigkeit oder Beseitigung der Gefährdung: Jede zu Unrecht geschuldete Steuer müsse aber korrigiert werden können, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweise oder eine Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt sei.
Berücksichtigung von Bereicherungen möglich: Hierbei verbiete es das Unionsrecht nicht, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern unter Umständen ablehne, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würde. Nationale Rechtsvorschriften, die die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Steuern ausschlössen, wenn nachgewiesen werde, dass der Steuerschuldner sie tatsächlich auf andere Personen abgewälzt habe, seien daher nicht grundsätzlich als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen.
Bestätigung im vorliegenden Urteil: Die MS dürfen ein "Rückzahlungserfordernis" also vorsehen, es ergibt sich aber nicht unmittelbar aus dem Unionsrecht. Diese Feststellung hat der Gerichtshof in der vorliegenden Entscheidung vom 7.9.2023 bestätigt. Ergäbe sich nämlich eine solche Voraussetzung unmittelbar aus dem Unionsrecht, hätte der Gerichtshof in diesem Urteil lediglich feststellen müssen, dass bei einer späteren Steuerkorrektur durch L die Voraussetzungen einer Erstattung ohnehin nicht gegeben sein könnten, da er gegenüber LE die Einrede der Verjährung erhoben hat und daher die Beträge nicht an diesen zurückzahlt. Damit könnte es keinen Erstattungsanspruch des L geben, so dass sich die Frage einer "Anspruchskonkurrenz" mit dem Direktanspruch des LE bereits tatbestandlich erübrigen würde.
Das hat der EuGH aber gerade nicht gesagt. Er hat vielmehr seiner Antwort (ebenso wie das FG Münster im Vorlagebeschluss) zugrunde gelegt, dass L – auch nachdem er die Einrede der Verjährung gegenüber LE geltend gemacht hat – potentiell eine Steuerkorrektur durchführen könnte.
Missbräuchliche Ausübung nur bei Erfüllung des Tatbestands möglich: Nur weil dies tatbestandlich möglich ist, das Ergebnis aber gegen den Neutralitätsgrundsatz verstößt, konnte der EuGH überhaupt die Frage des Missbrauchs erörtern – denn wo sich ohnehin kein Erstattungsanspruch aus einer Steuerkorrektur ergeben kann, kann dessen Geltendmachung auch nicht missbräuchlich sein.