Rz. 39

Die Öffentlichkeit des Verfahrens ist geregelt in § 52 FGO i. V. m. §§ 169ff. GVG.[1] Danach ist die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht öffentlich, d. h., dass beliebige Zuhörer die Möglichkeit des Zutritts haben. Der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens soll gewährleisten, dass sich die Rspr. der Gerichte grundsätzlich "in aller Öffentlichkeit", also nicht hinter verschlossenen Türen, abspielt, und dient somit der Kontrolle der Gerichte.[2] Die Öffentlichkeit ist daher gewahrt, wenn die Sitzung in einem Raum stattfindet, zu dem jedermann während der Dauer der Verhandlung Zutritt hat.[3] Das ist auch gegeben, wenn – z. B. aus Sicherheitsgründen – der Haupteingang zum Gerichtsgebäude abgeschlossen ist, aber die Möglichkeit besteht, sich durch Klingeln Einlass zu verschaffen.[4] Auch muss eine Mindestzahl von Sitz- und Stehplätzen vorhanden sein.[5] Jeder Interessierte muss die Möglichkeit haben, sich über die anstehenden Gerichtsverhandlungen zu informieren, indem er ohne Schwierigkeiten erfragen kann, wo die Verhandlungen stattfinden. Nicht erforderlich ist eine an jedermann gerichtete Kundgebung über Ort und Zeit der Verhandlung oder, dass die Sitzungen durch einen Aushang am Sitzungssaal kenntlich gemacht werden.[6]

Der Grundsatz der Öffentlichkeit verlangt nur den freien Zutritt einer unbestimmten Zahl von Zuhörern in den Raum, in dem die mündliche Verhandlung stattfindet. Nicht umfasst ist das Recht, sich während der Verhandlung Notizen zu machen[7], in Gesetzestexten zu blättern oder einen Laptop oder ein Mobiltelefon zu benutzen. Solche Tätigkeiten – ebenso wie etwa Beifallskundgebungen – können die Konzentration der Beteiligten stören.

Ein nicht ausreichender oder unterbliebener Aufruf der Sache führt nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, sondern allenfalls zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs.[8] Denn der Aufruf wendet sich ausschließlich an die Beteiligten und dient nicht der Herstellung der Öffentlichkeit. Deshalb ist, wenn die Beteiligten anwesend sind, ein Aufruf im Sitzungssaal ausreichend.[9]

Die Rspr. soll sich unter den Augen der Öffentlichkeit abspielen. Nicht geschützt ist das private Interesse an der Nichtöffentlichkeit einer Sitzung. Es liegt daher kein Verfahrensfehler vor, wenn nach einem Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 52 Abs. 2 FGO die elektronische Anzeige nicht auf "nicht öffentlich" umgestellt wurde.[10]

 

Rz. 39a

Eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit i. S. d. absoluten Revisionsgrunds liegt nur vor, wenn die Beschränkung der Öffentlichkeit auf den Willen des Gerichts, nicht aber auf eigenmächtiges Verhalten anderer Personen zurückzuführen ist, das vom Gericht nicht bemerkt worden ist oder auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte bemerkt werden können.[11] Dabei muss sich ein Spruchkörper (Senat) das Verhalten (hier: versehentliches Abschließen des Sitzungssaals von innen) der ihm angehörenden Berufsrichter zurechnen lassen.[12]

Es gehört nicht zum Begriff der Öffentlichkeit, dass einem Zuhörer das Abstellen seines Pkw ermöglicht wird.[13] Bei wirksamem Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist das weitere Verfahren nicht öffentlich. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt daher nicht die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens.[14]

Es liegt keine Verletzung i. S. d. § 119 Nr. 5 FGO vor, wenn gerügt wird, die elektrische Anzeige vor dem Sitzungssaal sei trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit nicht auf "Nichtöffentliche Sitzung" umgeschaltet worden. Mit diesem Fehler ist das Gebot, dass Gerichtssitzungen in der Öffentlichkeit abgehalten werden müssen, gerade nicht verletzt worden.[15] Nicht ausreichend ist die bloße Behauptung, es habe ein Hinweis auf den Ort der auswärts abgehaltenen Sitzung des FG gefehlt, wenn nicht erklärt wird, wodurch und wann dies bemerkt und weshalb der Mangel nicht in der mündlichen Verhandlung gerügt worden sei.[16]

 

Rz. 39b

Die Verletzung muss in der letzten mündlichen Verhandlung erfolgt sein, auf die das Urteil ergangen ist. Verstöße in anderen mündlichen Verhandlungen führen nicht zum absoluten Revisionsgrund, sondern können nur als sonstiger Verfahrensmangel gerügt werden.[17] Ein Erörterungstermin[18] dient der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und kann ihr daher nicht gleichgestellt werden[19], ebenso wenig wie ein Termin zur Verkündung des Urteils[20] oder ein Termin für eine Beweisaufnahme vor dem beauftragten Richter.[21]

Nach § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 173 Abs. 1 GVG hat die Urteilsverkündung öffentlich zu erfolgen. Diese Regelung gehört jedoch nicht zu den Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens i. S. d. § 119 Nr. 4 FGO, auf deren Verletzung das Urteil beruhen kann. Die Einschränkung der Rügebefugnis auf die mündliche Verhandlung ergibt sich daraus, dass die Entscheidungsfindung durch die nicht öffentliche Verkündung eines Urteils bzw. durch die Möglichkeit der Urteilszustellung nicht beeinflusst worden sein k...

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