Rz. 34
§ 119 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 AO sieht für formularmäßige Verwaltungsakte und mithilfe automatischer Einrichtungen erlassene Verwaltungsakte Formerleichterungen vor, die sicherstellen sollen, dass die durch Formulare und den Einsatz von EDV-Anlagen angestrebte Verwaltungsvereinfachung und -erleichterung nicht an Formvorschriften scheitert. Die Anwendung der Vorschrift ist auf schriftliche und elektronisch erlassene Verwaltungsakte beschränkt, da sich bei formlosen Verwaltungsakten die Frage der Formerleichterungen nicht stellt.
Die Erleicherungen des Abs. 3 S. 2 Hs. 2 gilt nur für die Anforderungen des Abs. 3 S. 2 Hs. 1, also für die Unterschrift und die Namenswiedergabe. Die Ausnahmeregelung gilt nicht für die Anforderungen des S. 1; die erlassende Behörde muss also weiterhin aus dem Verwaltungsakt zu erkennen sein.
Rz. 35–36 einstweilen frei
Rz. 37
Wird ein Verwaltungsakt mithilfe automatischer Einrichtungen erlassen, stellt sich die Frage, ob der Vorgang noch unter den herkömmlichen Begriff des Verwaltungsakts, wie er in § 118 AO seinen Niederschlag gefunden hat, subsumiert werden kann. Unter automatischen Einrichtungen sind dabei EDV-Anlagen zu verstehen, nicht Speicherschreibmaschinen, die nur eine verbesserte Form der herkömmlichen Schreibmaschinen darstellen.
§ 119 Abs. 3 S. 2 AO spricht davon, dass der Verwaltungsakt "mithilfe" der EDV-Anlage erlassen wird, dass daher nicht die EDV-Anlage den Verwaltungsakt erlässt, sondern sie nur ein Hilfsmittel ist, das die von der Behörde vorgenommene Wertentscheidung durchführt und in ein Ergebnis umsetzt. Dabei sind zwei Bereiche zu unterscheiden. Die Arbeitsweise der Anlage und das Ergebnis aufgrund der eingegebenen Daten richten sich nach dem der Anlage eingegebenen Programm. Der Erstellung dieses Programms liegt eine Vielzahl von Entscheidungen, Auslegungen von gesetzlichen Vorschriften usw. zugrunde. Die Programme enthalten daher in ihrer Gesamtheit die Ansicht der Verwaltung darüber, wie ein bestimmtes Gesetz anzuwenden ist. Diese Entscheidungen werden nicht von der EDV-Anlage, sondern von der Behörde bei der Programmierung getroffen. Die EDV-Anlage trifft also selbst keine rechtliche Entscheidung, sondern führt nur die vorher von der Behörde getroffene Entscheidung aufgrund eindeutig definierter Operationen im Einzelfall durch. Fehler in der Programmierung sind daher nicht Fehler der Anlage, sondern Fehler der Behörde. Der zweite Bereich, der zu berücksichtigen ist, ist die Ermittlung und Eingabe der Daten des jeweils zu verarbeitenden Einzelfalls. Auch hier wird die rechtserhebliche Tätigkeit (Ermittlung der Daten; Akzeptierung oder Zurückweisung einzelner Daten als glaubhaft oder unglaubhaft) vom Sachbearbeiter vorgenommen; die Anlage trifft keine rechtserhebliche eigene Entscheidung, sondern ermittelt nur das Ergebnis aufgrund der durch das Programm vorgegebenen Operationen.
Rz. 38
In keiner Phase trifft die EDV-Anlage daher "eigene" Entscheidungen, sondern sie wiederholt nur die durch das Programm festgelegten Entscheidungen, bezogen auf den durch die Dateneingabe definierten Einzelfall. Es ist daher richtig, die EDV-Anlage nur als "Hilfsmittel" zu bezeichnen. Das Ergebnis der Verarbeitung ist nicht ein der Anlage zuzurechnendes "Verwaltungsfabrikat", sondern ein der Behörde zuzurechnender Verwaltungsakt. Da die EDV-Anlage nur Hilfsmittel ist und nicht selbst zum hoheitlichen Bereich gehört, können auch in privatwirtschaftlicher Form organisierte Rechenzentren eingesetzt werden. Wegen der Behandlung unrichtiger Verwaltungsakte, die mithilfe von EDV-Anlagen erstellt wurden, vgl. M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 129 AO Rz. 11.
Rz. 39
Ob von den Formerleichterungen des Abs. 3 S. 2 Gebrauch gemacht werden soll, liegt im Ermessen der Behörde. Es sind einerseits der Zweck des Einsatzes von Formularen und EDV-Anlagen, andererseits die Interessen der Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Keinesfalls darf durch eine Verwaltungsvereinfachung der Rechtsschutz des Betroffenen beeinträchtigt werden.
§ 119 Abs. 3 S. 2 AO ist nicht verfassungswidrig.
Rz. 40
Nach Abs. 3 S. 2 Hs. 2 können Unterschrift und Namenswiedergabe (vgl. Abs. 3 S. 2 Hs. 1) fehlen; der Rechtsverkehr erwartet Unterschrift und Namenswiedergabe bei einem formularmäßig oder mittels EDV-Anlage erstellten Verwaltungsakt nicht. Nicht ersetzbar ist jedoch die Angabe der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde; diese ist kein Bestandteil der Form, sondern der inhaltlichen Bestimmtheit (vgl. Rz. 21).
Durch den Fortfall von Unterschrift und Namenswiedergabe werden auch schutzwürdige Interessen des Betroffenen regelmäßig nicht berührt; weder wird dadurch die persönliche Verantwortung des den Verwaltungsakt erlassenden Beamten ausgeschlossen (die der Behörde ohnehin nicht), noch wird dem Betroffenen die Möglichkeit des Gesprächs mit dem zuständigen Beamten abgeschnitten. Der zuständige bzw. verantwortliche Beamte ist ohne Schwierigkeit anhand des Aktenzeichens (Steuernummer) zu ermitteln.