Viertes Bürokratieentlastungsgesetz

Der Bundesrat hat am 18.10.2024 dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) zugestimmt, mit dem u. a. Aufbewahrungsfristen verkürzt und umsatzsteuerliche Pflichten erleichtert werden.

Das BEG IV bündelt eine Reihe von Einzelmaßnahmen, die sich folgenden Schwerpunkten zuordnen lassen:

  • Verkürzung von Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht,
  • Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung,
  • Abbau von Melde- und Informationspflichten,
  • Projekte zur Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung sowie
  • weitere Erleichterungen, insbesondere Streichung einzelner überflüssiger Vorschriften.

In Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Maßnahmen, wobei der Schwerpunkt auf Änderungen im Steuerrecht gelegt wird:

Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Steuer- und Handelsrecht

Nach bislang geltendem Recht sind Buchungsbelege grundsätzlich 10 Jahre aufzubewahren. Das BEG IV sieht vor, die Aufbewahrungsfrist für diese Belege auf 8 Jahre zu verkürzen (§ 147 Abs. 3 AO, § 257 Abs. 4 HGB).

Bei den Buchungsbelegen handelt es sich häufig um Rechnungen im Sinne des § 14 UStG. Um die beabsichtigte Bürokratieentlastung voll wirksam werden lassen zu können, wird daher auch die umsatzsteuerliche Frist zur Aufbewahrung von Rechnungen in § 14b Abs. 1 Satz 1 UStG an die neue Frist angepasst. Die Entlastung ist nach § 27 Abs. 40 (neu) UStG auch für bereits ausgestellte und empfangene Rechnungen wirksam.

Die Erleichterung gilt für alle Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist am 1.1.2025 noch nicht abgelaufen ist. Es gilt hier eine Sonderregelung für Personen oder Gesellschaften, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen. Mit Blick auf laufende Cum-Ex-Ermittlungsverfahren gilt für die Unterlagen dieser Personen oder Gesellschaften die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen erst mit einer Verzögerung von einem Jahr.

Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung

Bekanntgabe von Steuerbescheiden

Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Bekanntgabe von Steuerbescheiden durch Bereitstellung zum Datenabruf werden grundlegend modernisiert.

Nach der neuen Fassung von § 122a Abs. 1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte dem Beteiligten oder der von ihm bevollmächtigten Person bekannt gegeben werden, indem sie nach Maßgabe des § 87a Abs. 8 AO zum Abruf bereitgestellt werden. Die ab 1.1.2026 geltende Neuregelung verzichtet nun auf die Notwendigkeit der Einwilligung des Empfängers des Verwaltungsakts und; sie wird durch eine Widerspruchslösung ersetzt.

Mittels Bereitstellung soll insbesondere bekannt gegeben werden, wenn ein Steuerbescheid, Steuermessbescheid oder Feststellungsbescheid auf einer nach § 87a Abs. 6 elektronisch übermittelten Steuererklärung oder Feststellungserklärung beruht und sie

  • vom Beteiligten selbst über ein von der Finanzverwaltung bereitgestelltes Nutzerkonto übermittelt wurde oder
  • durch eine vom Beteiligten bevollmächtigte Person (z. B. Steuerberater und Rechtsanwälte), der gegenüber der Bescheid nach § 122 Abs. 1 Satz 4 AO bekanntzugeben ist.

Die abrufberechtigte Person ist am Tag der Bereitstellung elektronisch über die Abrufmöglichkeit und ihre Rechtswirkungen zu benachrichtigen. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt danach künftig am vierten Tag nach seiner Bereitstellung zum Abruf als bekannt gegeben (entsprechend der nach dem Postrechtsmodernisierungsgesetz verlängerten Zugangsvermutung).

Änderungen im BGB

Das BEG IV enthält weiterhin zahlreiche Änderungen, die entweder der bereits realisierten Digitalisierung von Sachverhalten Rechnung tragen, oder die Digitalisierungsvorhaben vorantreiben sollen. Der digitale Wandel soll hierbei insbesondere durch die Aufhebung von Schriftformerfordernissen oder durch deren Herabstufung auf die Textform nach § 126b BGB umgesetzt werden. Denn die Schriftform verlangt die eigenhändige Unterschrift auf Papier und verursacht somit Medienbrüche in digitalisierten Prozessen.

Das BEG IV senkt Formerfordernisse mit Änderungen im BGB und im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) ab. So wird etwa das Schriftformerfordernis für Gewerberaum-Mietverträge gestrichen. Weitere Erleichterungen im Hinblick auf Formerfordernisse betreffen das Vereinsrecht und das Schuldrecht. Auch im Wirtschaftsrecht und in verschiedenen berufsrechtlichen Bestimmungen werden Schriftformerfordernisse herabgestuft; dort gilt dann künftig überwiegend die Textform (gilt ab dem ersten Tag des auf die Gesetzesverkündung folgenden Quartals).

Änderungen im Steuerberatungsgesetz

Außerdem wird wie schon jetzt bei der Meldung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG bei vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen künftig auch das öffentlich-rechtliche Schriftformerfordernis für Änderungsmeldungen nach § 3a Abs. 4 StBerG durch die Möglichkeit der elektronischen Mitteilung ergänzt (ab dem ersten Tag des auf die Gesetzesverkündung folgenden Quartals).

In den Fällen, in den Abtretung oder Übertragung von Gebührenforderungen von Steuerberatern von der Zustimmung des Mandanten zulässig ist, reicht zukünftig eine ausdrückliche Einwilligung in Textform aus (§ 64 Abs. 2 Satz 2 StBerG; gilt ab dem ersten Tag des auf die Gesetzesverkündung folgenden Quartals).

Eine zentrale Vollmachtsdatenbank ermöglichte es ab dem 1.1.2028, dass Arbeitgeber ihren Steuerberatern nicht mehr zahlreiche schriftliche Vollmachten für die jeweiligen Träger der sozialen Sicherung ausstellen müssen. Künftig genügt eine Generalvollmacht, die in der Vollmachtsdatenbank elektronisch eingetragen und von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden kann (§ 85a Abs. 2 Nr. 12, 13 StBerG, § 105a SGB IV)

Textform in weiteren Gesetzen

Betroffen sind u. a. auch Änderungen der Wirtschaftsprüferordnung, des HGB, Bundesrechtsanwaltsordnung, des Umwandlungsgesetzes, des Aktiengesetzes, des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

Weitere Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung

Darüber hinaus fördert das BEG IV die Digitalisierung auch durch folgende Maßnahmen:

  • Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer ermöglicht künftig die Nutzung einer Portallösung für Anmeldungen zum Wirtschaftsprüferexamen und zur Eignungsprüfung sowie für Mitteilungen an das Berufsregister. Auf die Vorlage von Urschriften und beglaubigten Abschriften soll verzichtet sowie eine IT-gestützte Durchführung von schriftlichen Examensprüfungen ermöglicht werden.
  • Bei der Flugabfertigung können Reisepässe digital ausgelesen werden können.
  • Öffentliche Versteigerungen können online per Live-Stream mit Online-Gebotsabgaben oder in hybrider Form durchgeführt werden.
  • Vermieter können bei Betriebskostenabrechnungen Belege auch digital zur Einsichtnahme bereitstellen.
  • Die Textform wird für Anträge auf Elternzeit eingeführt. Zudem soll der automatisierte Datenabruf bei den Standesämtern den Nachweis von Geburten bei der Beantragung von Elterngeld vereinfachen.
  • Daten über die Arbeitsunfähigkeit von Empfängern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende können von den gesetzlichen Krankenkassen an die zuständigen Behörden elektronisch übertragen werden.

Abbau von Melde- und Informationspflichten

Änderungen im Umsatzsteuergesetz

Durch die ab 1.1.2025 geltende Anhebung von Schwellenwerten in § 18 Abs. 2, 2a UStG von 7.500 EUR auf 9.000 EUR Umsatz im Kalenderjahr soll die Anzahl der abzugebenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen reduziert werden. Wird der Schwellenwert nicht überschritten, muss die Umsatzsteuer-Voranmeldung nur vierteljährlich abgegeben werden.

Die Anhebung der Bagatellgrenze bei der Differenzbesteuerung von 500 EUR auf 750 EUR in § 25a Abs. 4 UStG (ab 1.1.2025) soll Entlastungen bei der Ermittlung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage bringen. Nach dieser Vorschrift kann ein Wiederverkäufer vereinfacht die Bemessungsgrundlage nach der Gesamtdifferenz aus allen innerhalb eines Besteuerungszeitraumes getätigten Einkäufen und Verkäufen bilden, sofern der Einkaufspreis die Bagatellgrenze nicht übersteigt.

Meldepflicht bei touristischen Übernachtungen

Mit Änderungen im Bundesmeldegesetz und in der Beherbergungsmeldedatenverordnung soll die im Koalitionsvertrag vereinbarte weitgehende Abschaffung der Meldepflicht bei touristischen Übernachtungen umgesetzt werden. Für deutsche Staatsangehörige besteht zukünftig keine Hotelmeldepflicht mehr.

Informationspflichten in weiteren Bereichen

Darüber hinaus sieht das BEG IV die Abschaffung von Anzeige- beziehungsweise Informationspflichten in weiteren Bereichen vor. Dazu gehört die Aufhebung einer Anzeigepflicht nach dem Mess- und Eichgesetz sowie einer Informationspflicht nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz.

Projekte zur Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung

Verrechnungspreisdokumentation und Transaktionsmatrix

Die Neuregelung der Aufzeichnungspflichten bei den Verrechnungspreisen in § 90 Abs. 3 und 4 AO soll zu einer Entlastung der Wirtschaft führen, da nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nicht mehr sämtliche Verrechnungspreisunterlagen erstellt und automatisch vorgelegt werden müssen.

§ 90 Abs. 3 AO wird ab dem 1.1.2025 neu strukturiert und die einzelnen Aufzeichnungspflichten (Transaktionsmatrix, Sachverhaltsdokumentation und Angemessenheitsdokumentation) numerisch untergliedert. Wesentlicher neuer Bestandteil der Aufzeichnungen in § 90 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist eine Transaktionsmatrix, die in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung näher spezifiziert werden soll und in der Betriebsprüfungspraxis in Teilen schon zur Anwendung gelangt. In dieser Transaktionsmatrix sind anzugeben

  • der Gegenstand und die Art der Geschäftsvorfälle,
  • die an den Geschäftsvorfällen Beteiligten unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
  • das Volumen und das Entgelt der Geschäftsvorfälle,
  • die vertragliche Grundlage,
  • die angewandte Verrechnungspreismethode,
  • die betroffenen Steuerhoheitsgebiete und,
  • ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen.

Die Vorlagepflicht einer Transaktionsmatrix steht im engen Zusammenhang mit der Änderung in § 90 Abs. 4 AO und soll eine risikoorientierte Prüfung der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen (Verrechnungspreise) fördern. Zukünftig sind nach § 90 Abs. 4 Satz 3 AO innerhalb der Frist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ohne gesondertes Verlangen nicht mehr alle (Verrechnungspreis-)Aufzeichnungen, sondern nur noch

  • die Transaktionsmatrix,
  • die Stammdokumentation sowie die
  • Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle

vorzulegen. Gleichwohl kann die Finanzbehörde im Rahmen der Außenprüfung jederzeit die Vorlage weiterer Aufzeichnungen verlangen. Bei Nichtvorlage der Transaktionsmatrix ist nach § 162 Abs. 4 Satz 1 AO grundsätzlich ein Zuschlag i. H. v. 5.000 EUR festzusetzen.

Weitere Änderungen

Weitere Änderungen, die auf eine Vereinfachung von Verwaltungsabläufen beziehungsweise deren Beschleunigung abzielen, sind u.a.:

  • Durch die Änderung des Investmentsteuergesetzes wird ein unbeabsichtigt entstandener Zusatzaufwand bei der Veranlagung von Spezial-Investmentfonds korrigiert und ein ähnlicher Rechtszustand wie vor dem Kreditzweitmarkförderungsgesetz hergestellt.
  • Die Geltungsdauer von Freistellungsbescheinigungen bei der Kapitalertragsteuer und beim Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen wird von drei auf fünf Jahre verlängert (ab 1.1.2025).
  • Die Stichprobenprüfungen von Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Grundrente nach SGB VI wird abgeschafft.
  • Es wird die Möglichkeit der angemessenen Verkürzung der Äußerungsfrist im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung geschaffen.
  • Es wird klargestellt werden, dass Notare, die Erklärungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung beurkunden oder beglaubigen, befugt sind, für die Beteiligten Anzeigen zu erstatten, Mitteilungen vorzunehmen und Anträge zu stellen, die im Zusammenhang mit der Gründung stehen.

Weitere Erleichterungen und Streichung überflüssiger Vorschriften

Schließlich dienen weitere Änderungen auf sonstige Weise der Bereinigung des Bundesrechtes und damit dem Abbau unnötiger Bürokratie. Hierzu zählen unter anderem Änderungen des Heimarbeitsgesetzes und die Aufhebung der Verordnung über das Schlichtungsverfahren nach § 16 der Handwerksordnung.

Weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind im Wachstumschancengesetz vorgesehen