Rz. 77
Gem. § 138d Abs. 2 S. 1 lit. d) AO muss mindestens einer der Beteiligten in einem anderen Land als seinem Ansässigkeitsstaat einer Tätigkeit nachgehen. Zur Definition eines Beteiligten vgl. Rz. 61ff.
Rz. 78
Zur Definition des Steuerhoheitsgebiets s. o. Rz. 69ff.
Rz. 79
Eine Tätigkeit kann dem Wortlaut nach jedes Verhalten sein. Allerdings schränkt die Finanzverwaltung dies auf Tätigkeiten ein, die steuerlich erheblich sind. Dies bedeutet, dass die Tätigkeit steuerliche Auswirkungen hervorrufen muss. Dies ist m. E. eine richtige Einschränkung, da steuerlich nicht relevante Tätigkeiten keinen Anknüpfungspunkt für einen grenzüberschreitenden Sachverhalt darstellen können. Außerdem muss die Tätigkeit für die infrage stehende Steuergestaltung relevant sein. Die Tätigkeit i. S. d. lit. d) setzt ausdrücklich keine Betriebstätte voraus. Liegt eine Betriebstätte vor, ist nicht lit. d) sondern lit. c) anzuwenden. Auch andere Anknüpfungspunkte im Tätigkeitsstaat müssen nicht vorliegen. Allerdings führt deren Vorliegen – anders als bei Betriebstätten oder der Ansässigkeit – nicht dazu, dass lit. d) nicht mehr anwendbar ist. Für die Frage, ob eine Betriebstätte vorliegt, ist auf die Definition in § 138d Abs. 4 AO abzustellen (vgl. dazu Rz. 73).
Eine physische Präsenz ist für das Tätigwerden nicht erforderlich. Die Finanzverwaltung folgert daraus, dass mit diesem Kriterium insbesondere auch digitale Geschäftsmodelle erfasst sind. Unklar ist, ob die Finanzverwaltung es für ein derartiges Tätigwerden bereits als ausreichend ansieht, dass z. B. ein Kunde im Ausland ansässig ist. Dies scheint aber der Fall zu sein, weil die Finanzverwaltung insbesondere digitale Geschäftsmodelle davon erfasst sieht. Eine Tätigkeit setzt aber m. E. ein aktives Handeln eines der Beteiligten ("des Tätigen") voraus. Ein nur passives Dulden oder Unterlassen reicht nicht aus. Es ist daher nicht ausreichend, wenn der Anbieter eines digitalen Geschäftsmodells einen Kunden im Ausland hat; dann wird er als Anbieter nicht aktiv tätig. Anders ist dies aber, wenn er den ausländischen Markt z. B. durch Werbung, Marketingmaßnahmen o. ä. bearbeitet. Dann wird er auf diesem Markt tätig.
Die Tätigkeit muss von (mindestens) einem an der Gestaltung Beteiligten ausgeführt werden. Ein Tätigwerden durch Dritte ist damit nicht ausreichend. Die Finanzverwaltung sieht auch Kunden etc. als Beteiligte an, sodass digitale Geschäftsmodelle auch erfasst wären, wenn der Kunde im Ausland ansässig ist. M. E. kann aber nur der Kauf einer Ware oder Dienstleistung kein "Tätigwerden" in diesem Sinne sein. Bei der Tätigkeit muss es sich nicht um eine Geschäftstätigkeit handeln. Zur Definition der Geschäftstätigkeit siehe Rz. 71.
Der Tatbestand dürfte als Auffangtatbestand dienen.
Rz. 80
§ 138d Abs. 2 lit. d AO ist nicht erfüllt, wenn zwar eine relevante Tätigkeit vorliegt, aber der Beteiligte in dem Tätigkeitsstaat ansässig ist. Dabei muss die Ansässigkeit bei dem Beteiligten bestehen, der die Tätigkeit ausübt. Nicht ausgenommen ist daher der Fall, dass einer der Beteiligten in dem jeweiligen Staat tätig ist, ein anderer Beteiligter in diesem Staat ansässig ist. In diesem Fall wäre lit. d) erfüllt; daneben würde vermutlich wegen der Ansässigkeit des anderen Beteiligten lit. a) erfüllt sein. Die Ansässigkeit muss nicht in einem EU-Mitgliedstaat vorhanden sein. Nicht erforderlich ist zudem, dass der Beteiligte überhaupt in einem Staat ansässig ist. Auch in diesem Fall liegt keine Ausnahme gem. lit. d) vor.