Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 3
Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 21.12.2019 eingeführt worden und setzt Anhang IV der Richtlinie (EU) 2018/822 um, der seinerseits auf Action 12 des BEPS-Projekts der OECD beruht. In diesem Anhang IV sind die Kennzeichen aufgeführt, die inhaltsgleich in § 138e Abs. 1, 2 AO aufgenommen worden sind. § 138e Abs. 3 AO mit der Definition der verbundenen Unternehmen beruht auf Art. 3 Nr. 23 der Richtlinie. Die Umsetzung ist allerdings in dem Sinne nur mittelbar, als die EU-Richtlinie nicht die Anzeige der Steuergestaltungen betrifft, sondern die Verpflichtung der EU-Staaten zur Übermittlung dieser Steuergestaltungen an die Finanzbehörden anderer betroffener EU-Staaten. Die deutschen Finanzbehörden sind aber nur dann in der Lage, diese Mitteilungspflicht zu erfüllen, wenn sie selbst über die fraglichen Steuergestaltungen informiert worden sind. Die Erfüllung der Mitteilungspflicht zwischen den EU-Staaten setzt daher eine Mitteilungspflicht der Intermediäre bzw. der Stpfl. bezüglich der Steuergestaltungen voraus. Insofern erzwingt die Erweiterung der Auskunftsrichtlinie auf die Mitteilung der grenzüberschreitenden Steuergestaltungen die Einführung von Mitteilungspflichten in den §§ 138d ff. AO. Aufgrund der inhaltsgleichen Übernahme der Kennzeichen aus der Richtlinie in § 138e AO kann der Inhalt der Richtlinie einschließlich der in der Richtlinie definierten Gründe für die Regelung ggf. aber zur Auslegung der Vorschrift herangezogen werden. Allerdings gibt es geringfügige Abweichungen zwischen den Kennzeichen nach Anhang IV der Richtlinie und § 138e AO. Bedenklich ist das nicht, da § 138e AO das Verhältnis zwischen der Finanzbehörde und dem Stpfl. bzw. Intermediär betrifft, während die Richtlinie die Auskunftspflicht der Bundesrepublik gegenüber den Finanzbehörden anderer EU-Staaten regelt. Es kann aber sein, dass § 138e AO eine Mitteilungspflicht des Stpfl. statuiert, der keine Auskunftspflicht der Bundesrepublik entspricht, oder umgekehrt, dass eine Auskunftspflicht besteht, wegen der engeren Formulierung der Kennzeichen in § 138e AO aber keine Mitteilungspflicht des Intermediärs.
Rz. 4
Die Vorschrift ist nach Art. 97 § 33 EGAO ab dem 1.7.2020 anzuwenden, wenn das in § 138f Abs. 2 AO maßgebende Ereignis nach dem 30.6.2020 eingetreten ist. Die Mitteilungspflicht tritt jedoch bereits für Steuergestaltungen ein, wenn der erste Schritt der Steuergestaltung nach dem 24.6.2018 und vor dem 1.7.2020 umgesetzt wurde.
Rz. 4a
Durch das zweite Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO v. 12.7.2022 wurde in Abs. 3 ein neuer Satz 5 eingefügt. Danach gilt für die Berechnung der Höhe der Stimmrechte für eine mittelbare Beteiligung eine Stimmrechtsbeteiligung von mehr als 50 % als Stimmrechtsbeteiligung von 100 %. Diese Regelung entspricht Art. 3 Nr. 23 der Amtshilferichtlinie und war bei Einführung des § 138e AO versehentlich nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Die Neuregelung ist am 22.7.2022 in Kraft getreten und gilt nach § 33 Abs. 6 EGAO für alle zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Verfahren.