Rz. 40
Anders ist die Situation jedoch, wenn der Stpfl. den Bescheid angefochten hat. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens kann eine vollständige Überprüfung erfolgen, eine Beschränkung der Überprüfung auf das Begehren des Einspruchsführers erfolgt nicht, vgl. § 367 Abs. 2 S. 1 AO. Für das Einspruchsverfahren gelten zudem nach § 365 Abs. 1 AO die für den Erlass des angefochtenen Steuerbescheids geltenden Vorschriften sinngemäß. Daraus folgt das Recht der Finanzbehörde zu einer verbösernden Entscheidung nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO. Da somit im Einspruchsverfahren der Steuerbescheid vollen Umfangs inhaltlich geändert werden kann, kann auch ein Vorbehalt nachträglich eingefügt werden.
Rz. 41
Ist der Vorbehalt nicht (spätestens) in der Einspruchsentscheidung beigefügt worden, ist eine nachträgliche Einfügung während des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr möglich, auch nicht bei einer ursprünglichen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Da § 367 Abs. 2 AO nur für das Einspruchsverfahren gilt, nicht für das gerichtliche Verfahren, und die gerichtliche Entscheidung sich nach § 96 Abs. 1 S. 2 FGO im Rahmen des Klagebegehrens halten muss, also den Vorbehalt nicht beifügen darf, wenn dies vom Klagebegehren nicht erfasst ist, ist eine entsprechende Verböserung im gerichtlichen Verfahren nicht möglich. Auch die Gewährung des Klagebegehrens, insoweit aber unter Vorbehalt, ist als "Minus" gegenüber dem Klagebegehren nicht möglich, da der Vorbehalt immer umfassend wirkt, also auf jeden Fall verbösernd wirken würde.
Rz. 42
Ist ein Steuerbescheid bestandskräftig geworden und wird er dann entsprechend den Änderungsvorschriften der AO geändert, z. B. nach § 173 AO, und wird gegen diesen Änderungsbescheid Einspruch eingelegt, so wird die Bestandskraft des Änderungsbescheids hierdurch nicht vollen Umfangs aufgehoben, sondern nach § 351 Abs. 1 AO nur, soweit die Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung reicht. Entsprechend ist auch die Möglichkeit einer Verböserung für die Finanzbehörde eingeschränkt. Ein Vorbehalt der Nachprüfung kann daher jetzt nicht mehr beigefügt werden, da dieser Vorbehalt die Bestandskraft der ganzen Steuerfestsetzung, nicht nur soweit die Änderung reicht, beseitigen würde. Ein teilweiser Vorbehalt ist grundsätzlich nicht möglich. Die Finanzbehörde würde damit im Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Änderungsbescheid eine Möglichkeit erhalten, die sie bei Erlass des Änderungsbescheids, z. B. nach §§ 172ff. AO nicht hatte. Das ist nicht zulässig.