Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 9
Abs. 2 konkretisiert den in § 91 AO enthaltenen Grundsatz des rechtlichen Gehörs, diese Vorschrift dient aber ebenso sehr der rationellen Arbeitsweise des Prüfers und dem reibungslosen Prüfungsablauf. Der Prüfer wird komplizierte Sachverhalte nur dann mit vertretbarem Arbeitsaufwand prüfen können, wenn er die unklaren Fragen (Sachverhalte) mit dem Stpfl. bespricht. Der Zweck des § 199 Abs. 2 AO liegt aber auch darin, den Stpfl. vor Überraschungen und Überrumpelungen zu schützen. Das Außenprüfungsverfahren ist ein "offenes" Verfahren, kein Strafverfahren. Das bedeutet, dass der Stpfl. grundsätzlich Anspruch darauf hat, dass ihm der Prüfer mitteilt, welche Prüfungsfelder er prüft bzw. prüfen will. Zu informieren ist der Stpfl. auch über die von der Betriebsprüfung ermittelten Tatsachen und die vorhandenen Beweismittel (z. B. Zeugenaussagen), und zwar aller Tatsachen und Beweismittel, deren Steuererheblichkeit nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Es genügt nicht, wenn nur die nach der Interpretation der Finanzbehörde steuererheblichen Tatsachen und die Beweisergebnisse in der Beweiswürdigung durch die Finanzbehörde mitgeteilt werden.
Rz. 9a
§ 199 Abs. 2 AO hat auch zur Folge, dass der Stpfl. schon während der Außenprüfung, also vor der Schlussbesprechung, über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen informiert werden muss. Ein Zurückhalten der Ergebnisse aus verhandlungstaktischen Gesichtspunkten, um den Stpfl. damit in der Schlussbesprechung zu überraschen, ist danach nicht zulässig.
Rz. 9b
Der Prüfer ist zur Unterrichtung des Stpfl. verpflichtet, wenn dadurch Zweck und Ablauf der Prüfung nicht gestört werden. Die Pflicht zur Unterrichtung über die möglichen steuerlichen Auswirkungen darf aber nicht überspannt werden. Insbesondere kann der Stpfl. nicht verlangen, dass der Prüfer ihm alle Möglichkeiten durchrechnet. Da die Unterrichtung nur über "mögliche" Auswirkungen erfolgt, liegt hierin noch keine abschließende Entscheidung über die steuerliche Würdigung, und zwar auch dann nicht, wenn der Prüfer für eine solche Entscheidung zuständig ist (veranlagende Außenprüfung). Die Form der Unterrichtung hängt von dem Einzelfall ab; i. d. R. genügt eine mündliche Unterrichtung. Es ist aber durchaus denkbar, dass eine schriftliche Unterrichtung erforderlich ist, z. B. bei umfangreichem Zahlenwerk, damit der Stpfl. in die Lage versetzt wird, fundierte Gegenausführungen vorzubringen.
Rz. 9c
Zweck und Ablauf der Prüfung werden beeinträchtigt, wenn zu befürchten ist, dass der Stpfl. den gerade untersuchten Sachverhalt verdunkeln oder den Prüfungsablauf verschleppen wird. Selbstverständlich muss es sich um wesentliche Beeinträchtigungen handeln, wenn die Unterrichtung unterbleiben soll. I.d.R. wird dann aber auch schon die Grenze zum Strafverfahren überschritten sein.
Nicht gedeckt ist ein Unterbleiben der Information des Stpfl. aus verhandlungstaktischen Gesichtspunkten. Die Außenprüfung soll ein sachlich richtiges Ergebnis, nicht ein mit allen Mitteln der Verhandlungstaktik durchgesetztes Ergebnis erreichen.
Rz. 9d
Unterbleibt die erforderliche Unterrichtung, ist das Verhalten des Prüfers zwar fehlerhaft. Dies hat aber nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO keine Folgen, wenn die Gewährung des rechtlichen Gehörs später, etwa in der Schlussbesprechung oder in einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, nachgeholt wird.
Rz. 10
Dem Wortlaut der Vorschrift nach hat eine Unterrichtung über die Prüfungsergebnisse zu erfolgen. Nicht erforderlich ist dagegen nach § 199 AO eine Mitteilung der Prüfungsmethoden. Nach dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat der Stpfl. Anspruch darauf, zu den Ergebnissen gehört zu werden, aus denen u. U. für ihn nachteilige Folgen gezogen werden sollen. Eine Diskussion der Methoden, mit denen diese Ergebnisse erzielt worden sind bzw. erzielt werden sollen, fällt nicht mehr unter den Begriff des rechtlichen Gehörs. Soweit rechtswidrige Methoden angewandt werden, wird Rechtsschutz nach den allgemeinen Vorschriften (Einspruch, vorläufiger Rechtsschutz) gewährt.
Rz. 11
Das Prinzip der möglichst frühzeitigen Information des Stpfl. erfordert es auch (wenn dies auch nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist), den Stpfl. wenigstens in Form einer Übersicht darüber zu informieren, welche Prüfungsfelder geprüft werden bzw. werden sollen. Diese Information darf nicht zu allgemein sein (z. B. "Kosten"; "Verrechnungspreise"), sondern muss so konkret sein, dass der Stpfl. ersehen kann, auf welchen Gebieten er ggf. mit Beanstandungen zu rechnen hat (z. B. Reisekosten eines bestimmten Jahres, Verrechnungspreise im Verhältnis zu einer bestimmten Schwestergesellschaft). Es wäre mit den Grundsätzen eines partnerschaftlichen, offenen Verfahrens nicht zu vereinbaren, den Stpfl. im Dunkeln über die Prüfungsfelder zu lassen und dann mit einem "fertigen" Ergebnis zu überraschen.
Rz. 12
Eine nähere Unterrichtung des Stpfl. über die Überlegungen des Außenprüfers kann auch zur Be...