Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 10
Stundungswürdigkeit liegt vor, wenn der Steuerschuldner seine Zahlungsunfähigkeit nicht selbst herbeigeführt hat und auch nicht durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat. Nach Auffassung des BFH ist hierbei eine Interessenabwägung anzustellen. Im Hinblick auf die Stpfl., die mit den gebotenen Anstrengungen und unter Einsatz aller Mittel ihren steuerlichen Verpflichtungen pünktlich nachkommen, soll eine Stundung nur dann in Betracht kommen können, wenn der sie begehrende Stpfl. sein Möglichstes zur Abtragung von Steuerrückständen getan hat. Hierbei gehen inbesondere unüberlegtes Finanzgebaren, Nachlässigkeit oder Zahlungsunwilligkeit zu seinen Lasten. Die anderweitige Verwendung vorhandener Geldmittel, ohne Berücksichtigung der bestehenden oder zu erwartenden Steueransprüche, schließt eine Stundung aus. Dies ist z. B. der Fall, wenn betriebliche Investitionen, die nicht unvorhergesehen zur Betriebserhaltung erforderlich geworden sind, vorgenommen werden, oder wenn die Geldmittel zur Anschaffung oder Bildung von Vermögenswerten oder durch besonders hohe Entnahmen zum Lebensunterhalt verwendet wurden. Auch die vorrangige Tilgung von Verbindlichkeiten kann stundungsschädlich sein, wenn hierdurch der öffentlich-rechtliche Gläubiger gegenüber privatrechtlichen Gläubigern benachteiligt worden ist. Die Nichtberücksichtigung saisonbedingter Absatzschwankungen bei der Vornahme weiterer Investitionen, während steuerliche Verpflichtungen nicht unerheblicher Art bestehen oder bevorstehen, ist ebenfalls nicht hinzunehmen. Der Stpfl. muss sich auf anstehende und erwartbare Steuerzahlungen rechtzeitig vorbereiten. Allerdings kann ein ständiges Denken an die Steuern und den Ausschluss von Überraschungen mit ihnen auch nicht gefordert werden. Ändert z. B. das Finanzamt bei einer Veranlagung seine seit Jahren vertretene und angewendete Auffassung und führt dies zu erheblich höheren Abschlusszahlungen, als der Stpfl. nach dem bisherigen Verhalten erwarten musste, so kann von ihm ein Sicherheitsposten auch für diese Abschlusszahlung nicht erwartet werden. In diesem Fall kann sogar eine sachliche Härte angenommen werden (vgl. Rz. 14).
Rz. 11
Eine Steuerhinterziehung, eine leichtfertige Steuerverkürzung oder andere steuerliche Pflichtverletzungen (z. B. Nichtabgabe von Steuererklärungen) schließen die Stundungswürdigkeit nicht in jedem Fall aus (vgl. v. Groll, in HHSp, AO, § 222 Rz. 146; Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 38).