Rz. 75
Wird die Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch Verwaltungsakt herbeigeführt, muss dieser vor dem Eintritt der Zahlungsverjährung Wirkung entfalten. Dazu verweist Abs. 1 S. 2 auf § 169 Abs. 1 S. 3 AO. Danach ist die Frist gewahrt, wenn der Verwaltungsakt vor Ablauf der Frist den Bereich der zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Der Zugang kann dann nach Ablauf der Frist für die Zahlungsverjährung liegen; die rechtzeitige Absendung des Verwaltungsakts führt zur Unterbrechung der Verjährung. Diese Wirkung tritt jedoch nur ein, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich den Empfänger erreicht, ihm also zugeht. Das ergibt sich aus § 124 AO, wonach der Verwaltungsakt erst wirksam wird, wenn er dem Betroffenen zugeht. Ein Verwaltungsakt, der mangels Zugangs endgültig nicht wirksam wird, kann auch keine Wirkungen entfalten und demnach auch die Zahlungsverjährung nicht unterbrechen. Die sinngemäße Anwendung des § 169 Abs. 1 S. 3 AO entbindet die Finanzbehörde nur von dem Nachweis des rechtzeitigen Zugangs, verzichtet aber nicht auf den Zugang selbst als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Verwaltungsakt. Dadurch wird sichergestellt, dass für den Stpfl. erkennbar ist, ob die Zahlungsverjährung unterbrochen worden ist oder nicht.
Eine fehlgeschlagene Bekanntgabe kann nachgeholt werden. Die Zahlungsverjährung kann dies aber nur dann unterbrechen, wenn die Zweitausfertigung des Schriftstücks noch innerhalb der Zahlungsverjährungsfrist den Bereich der Behörde verlassen hat.
Rz. 76
Die Wirkung dieser Regelung geht über Unterbrechungshandlungen durch Verwaltungsakt hinaus. Auch für andere schriftlich erfolgende Unterbrechungshandlungen gilt § 169 Abs. 1 S. 3 AO entsprechend. § 231 Abs. 1 S. 2 AO regelt nicht eine Rechtsfolge in den Fällen des § 169 Abs. 1 S. 3 AO, sondern eine entsprechende Anwendung und damit keine Begrenzung der Wirkung nur auf Verwaltungsakte. Das bedeutet, dass es genügt, wenn die entsprechenden Schriftstücke rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist den Bereich der zuständigen Finanzbehörde verlassen haben. Auch bei solchen Unterbrechungshandlungen, die zwar eine wirksame Bekanntgabe etwa an einen Drittschuldner, an das Grundbuchamt oder das Insolvenzgericht voraussetzen, sich also nicht an, sondern nur gegen den Schuldner richten, ist also nach der Logik der (nur) entsprechenden Anwendung des § 169 Abs. 1 S. 3 AO die rechtzeitige Absendung durch die Finanzbehörde ausreichend, auch wenn der tatsächliche Zugang dann nach dem eigentlichen Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist liegt.
Rz. 77
Für gegen die Finanzbehörde gerichtete Ansprüche bedeutet die Verweisung m. E., dass das nachweisbare Absenden der Zahlungsaufforderung vor Ablauf der Verjährungsfrist ausreicht. Es ist nicht erforderlich, dass das Schriftstück noch während der Verjährungsfrist bei der zuständigen Finanzbehörde ankommt. Die Verweisung auf § 169 Abs. 1 S. 3 AO in § 231 Abs. 1 S. 2 AO enthält ihrem Wortlaut nach keinen Hinweis darauf, dass sie nur zugunsten der Finanzbehörde gelten soll. Vielmehr ist sie "sinngemäß" anzuwenden, und im Rahmen des § 231 AO damit auch zu Gunsten des Stpfl.
Soweit sich die Gegenmeinung auf die Rechtsprechung des BFH beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass die Wirkung einer Differenzierung zwischen einer fristgerechten Absendung und einem fristgerechten Eingang bei der Festsetzungsfrist nicht unmittelbar auf die Wirkung für die Zahlungsverjährungsfrist übertragbar ist. Die Schutzwürdigkeit auch des Steuergläubigers ist, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass es anders als bei der Festsetzungsverjährung nur um bereits festgesetzte und beiden Seiten bekannte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis geht, bei der Frage des Eintritts der Zahlungsverjährung deutlich geringer (Rz. 1).