Rz. 14
Der Begriff des Wirtschaftsguts selbst wird von der AO weder in § 39 AO noch an anderer Stelle definiert. In Übereinstimmung mit dem Bewertungsrecht und dem Einkommensteuerrecht umfasst er neben Sachen und Rechten (z. B. Forderungen, Immaterialgüterrechte, Anteile an Kapitalgesellschaften) wirtschaftliche Werte aller Art, die einer selbstständigen Bewertung zugänglich sind. Auch beschränkt dingliche Rechte gehören dazu. Damit deckt sich der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts im Wesentlichen mit dem handelsrechtlichen Begriff des "Vermögensgegenstands", setzt im Unterschied zu diesem aber nicht die Einzelveräußerbarkeit voraus.
Mit Blick auf das dem Zweck des § 39 Abs. 1 AO folgend weit auszulegende Begriffsverständnis kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare (Rechts-)Position als Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerzialisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und dadurch wirtschaftlich zu verwerten.
Eine Sache im zivilrechtlichen Sinne kann aus mehreren Wirtschaftsgütern bestehen. Ertragsteuerlich sind Grund und Boden und aufstehende Gebäude als unterschiedliche Wirtschaftsgüter anzusehen. Dasselbe gilt für Gebäudeteile, die in unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Auch Betriebsvorrichtungen und Scheinbestandteile i. S. v. § 95 BGB können eigenständige Wirtschaftsgüter sein. Bei einem Windpark stellt einerseits jede einzelne Windkraftanlage einschließlich des dazugehörigen Transformators sowie der verbindenden Verkabelung, andererseits die externe Verkabelung sowie die Zuwegung im Regelfall ein jeweils eigenständiges Wirtschaftsgut dar.
Der Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft ist kein (eigenständiges) immaterielles Wirtschaftsgut. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung verkörpert nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 AO vielmehr die quotale Berechtigung des Gesellschafters an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern.
Gegenstand der Zurechnung können nicht nur Wirtschaftsgüter als ganze, sondern auch Anteile daran, z. B. der ideelle Miteigentumsanteil an einem Grundstück oder die Unterbeteiligung an einem GmbH-Anteil, sein. Auch wirtschaftliches Eigentum an einem realen Gebäudeteil ist möglich.
Rz. 15
Die Zurechnung eines Wirtschaftsguts (oder eines Anteils daran) zu einer Person schließt die gleichzeitige Zurechnung zu einer anderen Person aus. Soweit Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, können sie daher nicht nebeneinander auf ein und dasselbe Wirtschaftsgut angewandt werden. Bei der anteiligen Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu mehreren Personen darf die Summe der ihnen zugerechneten Anteile 100 Prozent nicht übersteigen. Widerstreitende Zurechnungen sind auf der Grundlage von § 174 Abs. 1 AO zu korrigieren.