Rz. 26

Ebenso wie für das rechtliche ist auch für das wirtschaftliche Eigentum eine zeitlich unbegrenzte Herrschaft über das Wirtschaftsgut wesensmäßig. Ihre tatsächliche Grenze findet diese Herrschaft allerdings in der Lebensdauer des Wirtschaftsguts selbst.[1] Aus diesem Grund macht § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO die Annahme wirtschaftlichen Eigentums davon abhängig, dass der (rechtliche) Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen ist. Die darin liegende Einschränkung ist nur für abnutzbare Wirtschaftsgüter von Bedeutung. Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter wie Grund und Boden, Anteile an Kapitalgesellschaften und Umlaufvermögen haben keine gewöhnliche Nutzungsdauer.[2] In ihrem Fall muss sich der Ausschluss auf den gesamten Zeitraum bis zum tatsächlichen oder rechtlichen Untergang des Wirtschaftsguts beziehen.

Der Ausschluss des zivilrechtlich Berechtigten von der Sachherrschaft für eine lange, unbestimmte Zeit reicht dazu nicht aus.[3]

Andererseits kann ein Ausschluss aber auch dann gegeben sein, wenn er nur sehr kurzfristig wirkt. So kann bei einem taggleichen An- und Verkauf von Aktien wirtschaftliches Eigentum an den erworbenen Aktien begründet werden.[4]

[1] Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 39 AO Rz. 96.
[2] Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 39 AO Rz. 98.
[3] Ebenso Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 23; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 39 Rz. 19; Hoffmann, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 39 Rz. 7/2.

4.1.1.1 Gewöhnliche Nutzungsdauer

 

Rz. 27

Bei beweglichen Wirtschaftsgütern entspricht die gewöhnliche Nutzungsdauer regelmäßig der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 2 EStG.[1] Darunter ist der Zeitraum zu verstehen, in dem das Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung seiner besonderen betriebstypischen Beanspruchung erfahrungsgemäß verwendet oder genutzt werden kann.[2] Die Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Die technische Nutzungsdauer umfasst den Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch verbraucht. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer umfasst den Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut rentabel genutzt werden kann.

Entsprechen sich die wirtschaftliche und technische Nutzungsdauer nicht, können sich die Stpfl. für ertragsteuerliche Zwecke auf die für sie günstigere Alternative berufen.[3] Für die Zurechnung nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO kann dieser Gesichtspunkt keine Rolle spielen, weil der Gesichtspunkt der Günstigkeit aus der Sicht der beteiligten Stpfl. jeweils unterschiedlich zu beurteilen sein kann, während die Zurechnung beiden gegenüber nur einheitlich erfolgen kann. Da es für die Frage des Ausschlusses des (zivilrechtlichen) Eigentümers darauf ankommt, ob dieser wirtschaftlich auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen werden kann, ist bei Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO auf den wirtschaftlichen Verbrauch und damit auf die ggf. kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer der Sache abzustellen.[4]

Die (betriebs-) gewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts ist zu schätzen. Als Hilfsmittel der Schätzung können die von der FinVerw. aufgestellten AfA-Tabellen herangezogen werden.[5]

Bei Gebäuden bestimmt sich die gewöhnliche Nutzungsdauer nach der Lebensdauer, die bei Massivbauten regelmäßig mit 100 Jahren anzusetzen ist.[6] Die der Bemessung der AfA-Sätze nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG zugrunde gelegten Abschreibungszeiträume können schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil sie keine auf das einzelne Objekt bezogene Obergrenze der Nutzungsdauer ausdrücken, sondern mit jedem Eigentümerwechsel neu beginnen.[7]

Rz. 28 einstweilen frei.

[1] Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 39 AO Rz. 97; Klein/Ratschow, AO, 17. Aufl. 2023, § 39 Rz. 26.
[4] Ebenso Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 39 AO Rz. 97; Klein/Ratschow, AO, 17. Aufl. 2023, § 39 Rz. 26.
[5] Klein/Ratschow, AO, 17. Aufl. 2023, § 39 Rz. 26.

4.1.1.2 Ausschluss

 

Rz. 29

Der Eigentümer muss kraft der tatsächlichen Herrschaft des anderen von der wirtschaftlichen Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn ihm die mit seiner Rechtsposition normalerweise verbundenen Möglichkeiten, Gebrauchsvorteile aus dem Wirtschaftsgut zu ziehen und/oder seine Substanz zum eigenen Nutzen zu verwerten, entzogen sind, sodass diese nu...

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