Rz. 14
§ 87a Abs. 2 AO legt fest, wie die Finanzbehörden zu verfahren haben, wenn ein elektronisch übermitteltes Dokument nicht bearbeitbar ist. Sie haben diesen Umstand dem Absender unter Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Die Finanzbehörden sind hierdurch verpflichtet, eingehende elektronische Dokumente zeitnah darauf zu überprüfen, ob sie bearbeitbar sind.
Rz. 15
Die Norm regelt keine korrespondierenden Mitteilungs- und Handlungspflichten aller Teilnehmer des elektronischen Rechtsverkehrs, sondern nur einseitige Verhaltenspflichten der Finanzbehörden. Dies ist unbefriedigend. Denn es ist kein verständiger Grund ersichtlich, Finanzbehörden und andere Empfänger unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich des Wohlverhaltens im Rahmen der elektronischen Kommunikation zu unterwerfen. Die Interessenlagen beider Parteien sind insofern identisch. Die an den Zugang elektronischer Dokumente anknüpfenden Rechtsfolgen treten nur mit der Übermittlung eines von der Empfängereinrichtung lesbaren Dokuments ein. Die ggf. erforderliche erneute Übermittlung einer Datei in einem für den Empfänger erstmals bearbeitbaren elektronischen Format wirkt nicht auf den Zeitpunkt des erstmaligen, nicht bearbeitbaren Dokumenteneingangs zurück. Aus diesem Grund ist es für alle Absender zur Vermeidung von Rechtsverlusten gleichermaßen erforderlich, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, auf die fehlende Bearbeitbarkeit des übermittelten Dokuments hingewiesen zu werden. Nach der Formulierung des § 87a Abs. 2 AO besteht diese qualifizierte Hinweispflicht aber nur für die Finanzbehörden. Hierbei handelt es sich offensichtlich um ein Versehen in der Gesetzesabfassung. Denn auch nach der Gesetzesbegründung zu § 3a Abs. 3 VwVfG (analoger Regelungsbereich) sollen die Unterrichtungs- und Informationspflichten reziprok gelten.
Rz. 16
Verletzt die Finanzbehörde ihre Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung und wird hierdurch eine gesetzliche Frist versäumt, so kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Für die Verschuldensprüfung nach § 110 Abs. 1 S. 1 AO ist insbesondere zu klären, ob der Absender des elektronischen Dokuments sich über die technischen Vorgaben der Finanzbehörde informiert und diese auch hinreichend beachtet hat. Ein etwaiges Mitverschulden des Absenders an einer Fristversäumnis dürfte aufgrund der Überprüfungspflichten der Finanzbehörde aber regelmäßig zurücktreten.
Eine fehlgeschlagene elektronische Übermittlung einer Steuererklärung in Fällen des § 46 Abs. 2 EStG (sog. Antragsveranlagung) führt im Falle des zwischenzeitlichen Eintritts der Festsetzungsverjährung zum unweigerlichen Ablauf derselben mit der Folge, dass der Steuererstattungsanspruch nach § 47 AO erlischt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Finanzbehörde noch rechtzeitig auf die fehlgeschlagene Übermittlung hätte hinweisen können oder nicht, da die ordnungsgemäße Einlieferung des elektronischen Datensatzes in den alleinigen Pflichtenkreis des Stpfl., nicht aber der Finanzbehörde fällt.
Rz. 17
§ 87a Abs. 2 S. 2 AO verpflichtet die Finanzbehörde für den Fall, dass der Empfänger die fehlende Bearbeitbarkeit des elektronisch übermittelten Dokuments moniert, zu einer erneuten Übermittlung. Die Finanzbehörde hat in diesem Zusammenhang ein Auswahlermessen zwischen erneuter Übermittlung in einem geeigneten elektronischen Format oder als Schriftstück. Von diesem Ermessen hat die Finanzbehörde unter Zweckmäßigkeitserwägungen sachgerecht Gebrauch zu machen. Zur Vermeidung weiterer Probleme wird es sich in der Praxis oftmals anbieten, im zweiten Anlauf die Übersendung als Schriftstück zu wählen. Die Finanzbehörde ist gehalten, möglichst zeitnah zu reagieren.