Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Einführung
in der Fassung der Bekanntmachung v. 4.4.2006
mit den Änderungen durch:
- das Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz v. 12.7.2006,
- das Föderalismusreform-Begleitgesetz v. 5.9.2006,
- das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006,
- das Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.2006,
- das Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen v. 28.5.2007,
- das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007,
- das Zweite Gesetz zur Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze v. 13.12.2007,
- das Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007.
1 Finanzverwaltungsgesetz als selbstständiges Organisationsgesetz
Rz. 1
Das FVG v. 30.8.1971, das in Neufassung am 4.4.2006 bekannt gemacht worden ist, befasst sich mit der Organisation der Finanzverwaltung. Der Gesetzgeber hat es bei der Zusammenführung des allgemeinen Abgabenrechts in der AO außen vor gelassen, da es Organisationsgesetz auch für diejenigen Teile der Finanzverwaltung ist, deren Aufgabe nicht die Steuerverwaltung im weiteren Sinn ist. Die AO verweist in §§ 6 und 16 AO auf das FVG. Finanzbehörden i. S. d. AO sind danach die in § 6 AO aufgeführten Bundes- und Landesfinanzbehörden der §§ 1, 2 FVG. Für die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden verweist § 16 AO auf das FVG. Das FVG enthält eine abschließende Regelung der Funktionen der einzelnen Finanzbehörden. Die Finanzämter/Hauptzollämter haben als zugewiesenen Aufgabenbereich die eigentliche Verwaltung der Steuern usw. erhalten, die Oberfinanzdirektionen, soweit sie eingerichtet sind, sowie die Oberbehörden, soweit diese eingerichtet sind, dagegen Leitungsfunktionen. Verwaltung und Leitung sind so grundsätzlich verschiedene Aufgaben, sodass auch die Leitungsbefugnis der Oberfinanzdirektion es nicht zulässt, Verwaltungsfunktionen der örtlichen Behörden an sich zu ziehen. Eine entsprechende Verwaltungsanweisung, die das FVG korrigiert, verletzt den Vorrang des Gesetzes.
Das jetzt geltende FVG hatte zunächst im Großen und Ganzen seine Fassung nach Durchführung der Finanzreform v. 1.1.1970 durch das Finanzanpassungsgesetz v. 30.8.1971 erhalten. Das Gesetz musste dann sehr häufig geändert werden, um bei den vielen Umorganisationen und Modernisierungsmaßnahmen in den Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder die zutreffende und geeignete Grundlage zu bieten. Hierzu war auch eine Änderung des Art. 108 GG erforderlich. Wegen der zahlreichen Änderungen ist am 4.4.2006 eine Neufassung des FVG bekannt gemacht worden. Auch diese Neufassung ist innerhalb kurzer Zeit bereits wieder mehrfach geändert worden. Besonders zahlreiche Änderungen hat das Zweite Gesetz zur Änderung des FVG v. 13.12.2007 gebracht. Durch dieses Gesetz ist vor allem die Mittelbehörde für die Zollverwaltung aus den Oberfinanzdirektionen in Bundesfinanzdirektionen überführt worden.
2 Verwaltungshoheit als Teil der Steuerhoheit
Rz. 2
Das GG befasst sich in Art. 104a–115 GG mit dem Finanzwesen. Die durch das Finanzreformgesetz v. 12.5.1969 mit Wirkung ab 1.1.1970 geänderten bzw. neu gefassten Art. 105–108 GG betreffen die Seite der Einnahmen durch Steuern. Als Teil der dort geregelten Steuerhoheit (diese wiederum ist Teil der Finanzhoheit und damit der Staatshoheit) ist neben der Gesetzgebungshoheit (Art. 105 GG; vgl. zu der bundesgesetzlichen Regelung von Steuern § 1 AO Rz. 5, 5a) und der Ertragshoheit (Art. 106 GG; vgl. § 3 AO Rz. 11, 12) die Verwaltungshoheit verfassungsrechtlich geregelt.
Art. 108 GG teilt zunächst die Verwaltung der einzelnen Steuern auf Bundes- und Landesfinanzbehörden (vgl. §§ 1, 2 FVG Rz. 1) auf. Art. 108 Abs. 1 S. 1 GG weist dabei die Verwaltung der Zölle, Finanzmonopole, bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern einschließlich der EUSt sowie der EU-Abgaben den Bundesfinanzbehörden zu. Die übrigen Steuern werden nach Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG durch die Landesfinanzbehörden verwaltet. Art. 108 Abs. 4 S. 2 GG erlaubt den Ländern, durch Landesgesetz die Verwaltung der den Gemeinden voll zufließenden Steuern ganz oder teilweise auf die Gemeindefinanzbehörden zu übertragen. Art. 108 Abs. 4 S. 1 GG sieht vor, dass durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz die Verwaltung von Steuern, die an sich von Bundesfinanzbehörden verwaltet werden, den Landesfinanzbehörden übertragen und umgekehrt den Landesfinanzbehörden zur Verwaltung zugeordnete Steuern durch Bundesfinanzbehörden verwaltet werden, wenn und soweit dadurc...