Rz. 43
Durch eine Gegenvorstellung soll das Gericht veranlasst werden, eine von ihm getroffene abänderbare Entscheidung von Amts wegen im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen und zu korrigieren. Zunächst vertrat der BFH die Auffassung, nach der Unstatthaftigkeit der außerordentlichen Beschwerde werde mit der Gegenvorstellung der Rechtsschutzgewährung ausreichend Rechnung getragen. Die Gegenvorstellung wurde auch nach Einfügung des § 321a ZPO n. F. bzw. des § 133a FGO ab 2005 weiterhin als statthaft angesehen. Sie richtet sich an das Gericht, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat, nicht an die höhere Instanz. Sie war deshalb gegen Entscheidungen des FG an dieses und gegen Entscheidungen des BFH an diesen zu richten. Auch mit der Gegenvorstellung konnten nur schwerwiegende Grundrechtsverstöße oder eine greifbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung geltend gemacht werden.
Rz. 44
Nach BVerfG v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 müssen Rechtsbehelfe "in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für den Bürger erkennbar sein". Hiervon ausgehend sah der BFH für die Verletzung von Verfahrensgrundrechten und willkürlichen Entscheidungen, die nicht von der Anhörungsrüge nach § 133a FGO erfasst werden, auch die Gegenvorstellung mangels eindeutiger Rechtslage nicht mehr als statthaft an. Der BFH hatte wegen dieser Streitfrage den GmS-OGB angerufen. Darauf hat das BVerfG klargestellt, dass die Gegenvorstellung weder verfassungsrechtlich noch einfachrechtlich unstatthaft ist. Die Einlegung ist allerdings nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde und setzt daher die Monatsfrist für die Verfassungsbeschwerde nicht erneut in Lauf. Die Verfassungsbeschwerde ist daher – unabhängig von der Erhebung einer zusätzlichen Gegenvorstellung – innerhalb der Monatsfrist einzulegen.
Nach der Entscheidung des BVerfG, dass die Gegenvorstellung nach wie vor statthaft ist, hat der BFH seine Auffassung zur Unzulässigkeit der Gegenvorstellung aufgegeben und die Anrufung des GmS-OBG zu dieser Frage zurückgenommen.
Der Anwendungsbereich der Gegenvorstellung beschränkt sich auf noch abänderbare gerichtliche Entscheidungen, die in formelle, aber nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Gegen eine nicht abänderbare Entscheidung, die materiell rechtskräftig wird, ist eine Gegenvorstellung nicht statthaft. Die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision wird z. B. materiell rechtskräftig und ist daher nicht mehr abänderbar. Nicht in materielle Rechtskraft erwächst z. B. ein Beschluss über die Ablehnung von PKH. Ein PKH-Antrag kann grundsätzlich wiederholt werden, wenn neue Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte vorgetragen werden. Dementsprechend verlangt eine Gegenvorstellung einen entsprechend ergänzten Vortrag.
Als außergerichtlicher Rechtsbehelf kann die Gegenvorstellung nur auf schwerwiegende Rechtsverstöße, also darauf gestützt werden, dass die angegriffene Entscheidung auf einer gravierenden Verletzung von Grundrechten beruhe oder jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehre.
Auf eine Gegenvorstellung obliegt die Abhilfe dem Gericht, das den Fehler begangen hat. Dementsprechend ist die Gegenvorstellung an das Gericht zu richten, das die beanstandete Entscheidung erlassen hat.
Die schwerwiegende Rechtsverletzung muss substanziiert und nachvollziehbar dargelegt werden.
Die Gegenvorstellung unterliegt dem Vertretungszwang, wenn das eingelegte Rechtsmittel, über das der BFH entschieden hat, seinerseits dem Vertretungszwang unterliegt.
Gegen die Entscheidung des FG über die Zurückweisung einer Gegenvorstellung ist keine Beschwerde an den BFH gegeben. Legt das FG eine gegen seine Entscheidung eingelegte Gegenvorstellung dem BFH vor, wird diese, da sie gegen eine Entscheidung des FG gerichtet ist, an dieses zurückgegeben.