Rz. 23
Die Rüge ist bei dem Gericht (FG, BFH) zu erheben, das die beanstandete Entscheidung getroffen hat. Sie hat keinen Devolutiveffekt, d. h., bei einer Rüge gegen eine Entscheidung des FG entscheidet dieses, nicht der BFH. Zuständig ist der Spruchkörper, der die Entscheidung getroffen hat, ggf. auch der Einzelrichter. Maßgebend ist dabei die reguläre Besetzung, sodass es bei der Übertragung auf den Einzelrichter bei dessen Zuständigkeit verbleibt.
Über die Anhörungsrüge gegen eine Entscheidung des BFH entscheidet dieser. Über die unzulässige oder unbegründete Anhörungsrüge entscheidet der BFH auch dann in der Besetzung von drei Richtern durch Beschluss, wenn sie sich gegen ein Urteil richtet. Entscheidend ist die geschäftsplanmäßige Besetzung im Entscheidungszeitpunkt, sodass ein Wechsel in der Senatsbesetzung unerheblich ist. Bei einer späteren Änderung der Geschäftsverteilung entscheidet der nunmehr zuständige Senat.
Die Rüge ist den anderen Beteiligten nur dann zur Stellungnahme zuzuleiten, wenn sie in ihren Interessen berührt sein können. Das ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn ernstlich die Begründetheit der Rüge und damit die Fortsetzung des Verfahrens in Betracht zu ziehen ist.
Im Rügeverfahren wird lediglich geprüft, ob ein Verstoß gegen die Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Das ist nicht der Fall, wenn das Gericht den Vortrag ersichtlich zur Kenntnis genommen hat und auch Stellung dazu bezogen hat. Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angefochtene Entscheidung darüber hinaus in vollem Umfang nochmals zu überprüfen. Ein neben der Gehörsverletzung zusätzlich gerügter Gleichheitsverstoß wird daher im Anhörungsrügeverfahren nicht geprüft. Das Gleiche gilt für die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter. Mit der Rüge kann auch nicht eine Begründungsergänzung herbeigeführt werden. Häufig wird mit der Anhörungsrüge (auch) vorgetragen, dass die angegriffene Entscheidung im Ergebnis fehlerhaft sei und das Gericht in der Sache falsch entschieden habe. Dieser Vortrag kann im Anhörungsrüge-Verfahren nicht (mehr) berücksichtigt werden.
Werden sowohl Anhörungsrüge als auch Gegenvorstellung erhoben, können beide Rechtsbehelfe in einem Beschluss zurückgewiesen werden.
Rz. 24
Hat die Rüge keinen Erfolg, weil sie unzulässig oder unbegründet ist, wird sie durch Beschluss verworfen bzw. zurückgewiesen. Durch ergänzende Ausführungen in diesem Beschluss kann der Gehörsverstoß geheilt werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Insbesondere kann dagegen nicht wiederum eine Anhörungsrüge oder eine Gegenvorstellung erhoben werden. Mit einer erneuten Anhörungsrüge unter Vortrag der gleichen Gründe kann daher der BFH nicht dazu gezwungen werden, sich mit dem Vorbringen in der vom Rügeführer für zutreffend gehaltenen Weise auseinander zu setzen.
Es besteht allerdings die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde. Als außerordentlicher Rechtsbehelf wird diese nicht durch Abs. 4 S. 3 ausgeschlossen.
Eine Begründung des Beschlusses ist nicht erforderlich. Die Wendung "soll kurz begründet werden" bedeutet nicht, dass jedenfalls eine Kurzbegründung gegeben werden müsse. Eine – kurze – Begründung sollte aber immer dann gegeben werden, wenn der Rügeführer aus dem bisherigen Verfahren nicht erkennen kann, aus welchen Gründen seine Rüge keinen Erfolg hatte. Der BFH fügt grundsätzlich eine Beschlussbegründung an, wobei er sich manchmal auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränkt und im Übrigen von einer Begründung absieht. Bei Unzulässigkeit der Anhörungsrüge weist der BFH gelegentlich darauf hin, dass die Rüge auch unbegründet wäre.
Von einer Begründung kann auch dann abgesehen werden, wenn der Beschluss über die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 5 S. 2 FGO ohne Begründung ergangen ist.
Rz. 25
Ist die Rüge begründet, ergeht darüber keine separate Entscheidung, sondern das Verfahren wird als Fortsetzungsverfahren in der Lage fortgeführt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. im schriftlichen Verfahren zu dem Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, befand. Zur Klarstellung kann und sollte jedoch ein besonderer Beschluss über die Verfahrensfortsetzung ergehen. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Das Verfahren wird aber nur insoweit fortgeführt, als dies aufgrund der Rüge geboten ist. Es wird also nur die Verletzung des rechtlichen Gehörs behoben und das verweigerte Gehör nachgeholt. Sodann wird das Verfahren in vollem Umfang bis zur Entscheidungsreife fortgesetzt. Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen den Anspruch auf das rechtliche Gehör. Es findet keine Neubeurteilung des Anspruchs insgesamt statt. Das bedeutet, dass neuer Tatsachenvortrag nur zu solchen Teilen des Streitgegenstands zulässig ist, die von dem Gehörsverstoß betroffen sind, n...