Rz. 16

Der über § 52 Abs. 1 FGO sinngemäß anwendbare § 184 GVG bestimmt, dass die Gerichtssprache deutsch ist. Wegen der zunehmenden internationalen Verflechtungen, des auch in breiten Bevölkerungsschichten anzutreffenden Reise-, Wirtschafts- und Rechtsverkehrs mit anderen Ländern sowie der vielen im Bundesgebiet wohnenden Personen, die der deutschen Sprache nicht, nur sehr beschränkt oder nur teilweise mächtig sind, sind die Regelungen zur Gerichtssprache und zu Übersetzungen durch Dolmetscher in allen Gerichtsverfahrensbereichen immer wichtiger geworden. Über § 52 Abs. 1 FGO gelten hierfür und für die Verhandlungen mit hör- und sprachbehinderten, blinden und sehbehinderten Personen die §§ 184186, 191a GVG. Gem. § 191a Abs. 2 GVG ist außerdem die sog. Zugänglichkeitsverordnung[1] ergangen, um eine barrierefreie Zugänglichmachung von Dokumenten an blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen.

 

Rz. 17

§ 184 GVG, der deutsch als Gerichtssprache bestimmt, ist zwingend. Da die Vorschrift sich nicht nur auf die Verhandlung, prozessleitenden Anordnungen und Gerichtsentscheidungen, sondern auch auf Klagen, Rechtsmittel, Schriftsätze und andere Prozesshandlungen bezieht, wirkt ein in fremder Sprache verfasster Schriftsatz nicht fristwahrend[2]. Diese Regelung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich[3] . Ein Verstoß gegen EU-Recht liegt ebenfalls nicht in dieser Vorschrift. Allerdings kommt bei Fristversäumung durch rechtzeitigen Schriftsatz nur in fremder Sprache Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Die Anforderungen für die Wiedereinsetzung gem. § 56 FGO dürfen in diesen Fällen nicht überspitzt werden, damit das rechtliche Gehör des nicht deutschkundigen Ausländers nicht verkürzt wird. Aus diesen verfassungsrechtlichen Gründen kann eine Wiedereinsetzung geradezu erforderlich sein[4].

Ein Verfahrensverstoß, der darin liegt, dass das Finanzgericht keinen Dolmetscher hinzugezogen hat, kann wenigstens dann nicht angenommen werden, wenn der Beteiligte seinen prozessualen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, das Gericht rechtzeitig auf Verständigungsmängel hinzuweisen oder selbst einen Dolmetscher zu stellen[5].

Vor allem im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt sollte de lege ferenda § 184 GVG durch Erleichterungen ergänzt werden, wie sie etwa in § 87 Abs. 24 AO und § 23 VwVfG enthalten sind.

 

Rz. 18

§ 186 GVG für Taube und Stumme sowie § 187 GVG zum Vortrag Tauber und Fremdsprachiger sind durch Gesetz v. 23.7.2002[6] mit Wirkung ab 1.8.2002 geändert bzw. aufgehoben worden. § 191a GVG für Blinde und sehbehinderte Personen ist durch dasselbe Gesetz eingefügt worden.

[1] v. 26.2.2007, BGBl I 2007, 215.
[2] BGH v. 14.7.1981, 1 StR 815/80, MDR 1981, 949; KG v. 8.10.1985, 1 W 3483/85, MDR 1986, 156; BayObLG v. 23.12.1986, BReg 3 Z 179/86, MDR 1987, 416; BSG v. 22.10.1986, 9a RV 43/85, MDR 1987, 436.
[3] BVerfG v. 25.9.1985, 2 BvR 881/85, NVwZ 1987, 785.
[6] BGBl I 2002, 2850.

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