1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 91a FGO ist durch Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013[1] mit Wirkung ab 1.11.2013 neu gefasst worden. Danach sollen die Möglichkeiten zur Nutzung von Videokonferenztechnik erweitert werden. Das Gericht kann nunmehr auch von Amts wegen den Beteiligten etc. gestatten, an mündlichen Verhandlungen und an Erörterungsterminen per Videokonferenz teilzunehmen[2]. Die in § 93a FGO a. F. vorgesehene Möglichkeit, Zeugen und Sachverständige per Videokonferenz zu vernehmen, ist jetzt im Wesentlichen in § 91a Abs. 2 FGO übernommen worden. Die Regelung gilt für Anordnungen des Gerichts, die ab dem 1.11.2013 getroffen werden[3]. Gemäß Art. 9 des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren können die Landesjustizverwaltungen allerdings durch Rechtsverordnung vorsehen, dass § 91a FGO sowie die vergleichbaren Vorschriften in den anderen Prozessordnungen ganz oder teilweise bis längstens 31.12.2017 keine Anwendung finden. Dies erscheint allerdings angesichts der bereits bestehenden Technik nicht von großer Bedeutung.

 

Rz. 2

Eine Übersicht über die Standorte von Videokonferenzanlagen bei den Gerichten findet sich im Justizportal des Bundes und der Länder (http://www.justiz.de/verzeichnis/zwi_videokonferenz/Videokonferenzanlagen.pdf). Problematisch bei einer Videokonferenz ist allerdings, dass ein unmittelbarer persönlicher Eindruck für das Gericht entscheidend sein kann und eine Verhandlung an einem Ort eher den Grundsätzen der mündlichen Verhandlung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme entspricht. Das Gericht hat jedoch trotz § 79 Abs. 1 S. 1 FGO die Möglichkeit, eine per Videokonferenz begonnene mündliche Verhandlung an den Ort des Sitzungszimmers zu vertagen[4] oder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 93 Abs. 3 S. 2 FGO zu beschließen und dann an einen Ort zu laden.

Für die Inanspruchnahme von Videokonferenzverbindungen fallen Gerichtskosten i. H. v. 15 EUR je angefangener halben Stunde an[5].

[1] BGBl I 2013, 935.
[2] BT-Drs. 17/12418, S. 1 f.
[3] Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 91a FGO Rz. 12.
[4] Z. B. bei technischen Problemen, Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91a FGO Rz. 10.
[5] Nr. 9019 Kostenverzeichnis, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

2 Videokonferenz bei mündlicher Verhandlung, § 91a Abs. 1 FGO

2.1 Allgemeines

 

Rz. 3

§§ 90ff. FGO gehen davon aus, dass während einer mündlichen Verhandlung sämtliche Beteiligte, so sie denn an der Verhandlung teilnehmen[1], und das Gericht sich am selben Ort aufhalten. § 91a Abs. 1 FGO gestattet den Aufenthalt an verschiedenen Orten, wenn die Verhandlung in Bild und Ton zeitgleich an die jeweiligen Orte übertragen wird. Dies muss technisch verwirklicht werden können. Das Gericht muss sämtliche in den jeweiligen Räumen befindlichen Personen gleichzeitig sehen und hören können. Insbesondere um die Beeinflussung von Aussagen der Beteiligten und Zeugen wahrzunehmen, ist ein Überblick über den gesamten Raum und das Hören des gesamten Tons erforderlich. Weiter muss technisch sichergestellt sein, dass wegen des Steuergeheimnisses (s. Rz. 5) und des Persönlichkeitsschutzes die Daten auf dem Übertragungsweg – z. B. per Internet – nicht von Unbefugten eingelesen werden können.

 

Rz. 4

Ist die erforderliche Technik sichergestellt und wird die Verhandlung übertragen, können die Beteiligten an unterschiedlichen Orten wirksam Verfahrenshandlungen vornehmen[2]. Damit besteht für das Gericht die Möglichkeit, eine das Verfahren abschließende mündliche Verhandlung durchzuführen, da alle Beteiligten sämtliche auch sonst in einer mündlichen Verhandlung möglichen Prozesserklärungen abgeben können, insbesondere also wirksam Klageanträge stellen können. Alles, was in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärt werden kann, kann dann per Videokonferenz mündlich erklärt werden. Hier können die Beteiligten von verschiedenen Orten aus mündlich insbesondere Beweisanträge stellen, die Hauptsache für erledigt erklären oder die Klage zurücknehmen.

 

Rz. 5

Gem. § 52 Abs. 1 FGO gelten die Vorschriften des GVG u. a. über die Öffentlichkeit und die Sitzungspolizei sinngemäß. Es muss daher sichergestellt sein, dass der Vorsitzende des Gerichts[3] in sämtlichen Räumen, in denen gleichzeitig verhandelt wird, die sitzungspolizeilichen Befugnisse ausüben kann. Ist das nicht sichergestellt, ist die Sitzung abzubrechen. Gem. § 169 GVG ist die Verhandlung vor dem "erkennenden Gericht" öffentlich. Entgegen der Auffassung in der Vorkommentierung ist die Öffentlichkeit nur für den Sitzungssaal herzustellen, nicht für die Orte, an denen sich die Personen befinden, die per Videokonferenz zugeschaltet werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 91a Abs. 1 S. 1 FGO, wonach das Gericht den Personen gestatten kann, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten. Dieser andere Ort ist daher nicht der Ort der mündlichen Verhandlung[4]. Da zur Wahrung des Steuerg...

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