Rz. 4
§ 4 Nr. 13 UStG hat keine unmittelbare Bezugsvorschrift in der MwStSystRL. Die Art. 132 ff. MwStSystRL, die den Umfang der Steuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzug abschließend regeln, enthalten eine § 4 Nr. 13 UStG vergleichbare Steuerbefreiung nicht. § 4 Nr. 13 UStG beruht vielmehr auf der Protokollerklärung Nr. 7 des Rates und der Kommission zu Art. 13 der 6. EG-Richtlinie (in Kraft bis 31.12.2006). Danach können "die Mitgliedstaaten die Bereitstellung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, zur Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie die Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen durch Wohnungseigentümergemeinschaften an die Wohnungseigentümer von der Mehrwertsteuer befreien". Ob diese Protokollerklärung des Rates und der Kommission tatsächlich eine sichere unionsrechtliche Grundlage von § 4 Nr. 13 UStG darstellte, konnte schon bisher mehr als bezweifelt werden. Nach der EuGH-Rechtsprechung kann eine Protokollerklärung nicht zur Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts herangezogen werden, wenn der Inhalt der Erklärung in der fraglichen Vorschrift keinen Ausdruck gefunden und die Protokollerklärung somit keine rechtliche Bedeutung hat. Daraus ist zu schließen, dass einer Protokollerklärung, unabhängig von der Vorschrift, auf die sie sich bezieht, keinerlei rechtliche und damit auch keine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt. Selbst wenn einer solchen Protokollerklärung eine rechtliche Bedeutung zukäme, könnte sich diese Bedeutung nur aus ihrem Wortlaut ergeben und müsste auch einen Ausdruck in der Vorschrift finden, auf die sie sich bezieht. Da die Art. 132ff. MwStSystRL keinerlei Regelungen für Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften enthalten, konnte und kann der Protokollerklärung zu Art. 13 der 6. EG-Richtlinie schon von daher keine rechtliche Bedeutung beigemessen werden.
Rz. 5
Der EuGH hat nunmehr auf Vorabentscheidungsersuchen des FG Baden-Württemberg ausdrücklich für § 4 Nr. 13 UStG seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach Protokollerklärungen, die bei vorbereitenden Arbeiten, die zum Erlass einer Richtlinie geführt haben, abgegeben worden sind, bei der Auslegung der Richtlinie nicht berücksichtigt werden, wenn ihr Inhalt im Wortlaut der fraglichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden hat und sie somit keine rechtliche Bedeutung haben.
Im Ausgangsverfahren errichtete die Klägerin im Jahr 2012 auf dem Grundstück, das den Wohnungseigentümern gehört, die Mitglieder der Klägerin sind, ein Blockheizkraftwerk. Der mit diesem Kraftwerk erzeugte Strom wurde an ein Energieversorgungsunternehmen und die erzeugte Wärme an die Wohnungseigentümer geliefert. Die Klägerin beantragte den Abzug der Vorsteuer aus den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb des Kraftwerks für das Jahr 2012. Das FA ließ den Vorsteuerabzug nur für den auf die Stromerzeugung entfallenden Anteil zu, der sich auf 28 % des geltend gemachten Betrags belief. Es verweigerte den Vorsteuerabzug für den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Anteil, weil es sich bei der Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, um einen nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreien Umsatz handele. Das FG Baden-Württemberg äußerte Zweifel an der unionsrechtlichen Wirksamkeit der Protokollerklärung, auf die § 4 Nr. 13 UStG bisher gestützt wird. Es fragte den EuGH, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, steuerfrei ist. Das FG nahm an, dass es sich bei der Wärmelieferung im Ausgangsverfahren um einen steuerbaren (und mangels Steuerbefreiung) steuerpflichtigen Umsatz nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL handelte. Der EuGH hat zunächst, ohne explizit gefragt geworden zu sein, bestätigt, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Wärme an ihre Mitglieder liefert, dies als Unternehmer und im Rahmen eines Leistungsaustausches bewirken kann. Weiter hat der EuGH der Protokollerklärung der Ratstagung v. 17.5.1977 zur 6. EG-Richtlinie Rat und Kommission, "dass die Mitgliedstaaten die Bereitstellung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, zur Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie die Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen durch Wohnungseigentümergemeinschaften an die Wohnungseigentümer von der Mehrwertsteuer befreien können" die unionsrechtliche Wirksamkeit versagt. Weder Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie, der die Steuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken regelt, noch Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL enthielten auch nur den geringsten Hinweis darauf, dass die in besagtem Protokoll festgehaltene Erklärung des Rates und der Kommission (Protokollerklärung Nr. 7 der Tagung des Rates der Europäischen Union v. 17.5.1977 zu Art. 13 der 5. EG-Richtlinie) in diesen Bestimmungen ihren Ausdruck ge...