Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Wird ein Gebäude nur zu einem kleinen Teil für unternehmerische Zwecke genutzt, muss die Vorsteuer sofort geltend gemacht werden. Eine Nachholung durch geänderte Angaben in der Jahreserklärung ist nicht möglich.
Sachverhalt
In seiner Umsatzsteuererklärung für 2004 vom 17.10.2005 machte ein Angestellter einer Steuerberatungsgesellschaft Vorsteuern aus der Errichtung seines Einfamilienhauses geltend. Er gab hierzu an, im August 2004 mit dem Neubau begonnen zu haben und nach Fertigstellung voraussichtlich im November 2005 die Räume im Keller des Hauses für eine nebenberufliche Tätigkeit als Buchführungshelfer nutzen zu wollen. Der Umsatzsteuersonderprüfer des Finanzamts vertrat im Dezember 2005 die Auffassung, dass sich aus den vorgelegten Bauunterlagen und den Gegebenheiten vor Ort keine objektiven Beweisanzeichen dafür ergeben hätten, dass der Steuerpflichtige die Flächen des Kellergeschosses zeitnah seinem Unternehmen zugeordnet hat. Wenn dann auch der Vorsteuerabzug nicht zeitnah mit eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen beantragt worden sei, fehle es an einer objektiven Zuordnungsentscheidung vor Eingang der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 beim Finanzamt. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge wurden deshalb nicht berücksichtigt.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Ohne die Sofortentscheidung des Unternehmers über die beabsichtigten Verwendungsumsätze kann der Vorsteuerabzug dem Grund und der Höhe nach nicht beurteilt werden. Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage. Weil zum Zeitpunkt des Bezugs der Eingangsleistung im Jahr 2004 eine bereits bestehende Zuordnungsentscheidung der Klägers entweder für das gesamte Gebäude oder wenigstens für den geplanten Büroraum nach außen hin nicht erkennbar geworden ist, kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Die Zuordnung des gesamten Gebäudes zum Unternehmen hat der Kläger erst durch die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 vom 17.10.2005 gegenüber dem Finanzamt unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Hinweis
Im Streitfall kam für den Kläger erschwerend hinzu, dass er nicht etwa die Abgabe von laufenden Voranmeldungen unterlassen, sondern Voranmeldungen mit einem geringen Vorsteuerbetrag (86,44 EUR) eingereicht hatte. Damit war für das Finanzgericht klar, dass er das gesamte Objekt zunächst nicht seinem Unternehmen zuordnen wollte. Das Gericht sieht seine Auffassung im Einklang mit der im Streitjahr ab dem 30.3.2004 geltenden Verfügungslage. Dem Kläger musste m. E. spätestens mit Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 13.4.2004 (IV B 7-S 7300-26/04) klar gewesen sein, dass er auf Grund der Seeling-Rechtsprechung (EuGH, Urteil v. 8.5.2003, Rs. C-269/00) und des Folgeurteils des BFH vom 24.7.2003 (V R 39/99) grundsätzlich den vollen Vorsteuerabzug für das Objekt auch nach "nationalem Recht" geltend machen konnte. Ganz offenbar wurde auch dieser Punkt mit dem steuerlichen Berater erörtert. Man ist jedoch, so ist es der Sachverhaltsschilderung zu entnehmen, auf Grund des BMF-Schreibens v. 30.3.2004 (IV B 4-S 7300-24/04) davon ausgegangen, dass die Geltendmachung der Vorsteuerbeträge aus dem errichteten Einfamilienhaus noch bis zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr des Leistungsbezugs möglich sei.
Beachte: Mit Urteil v. 3.1.2008 (Az. 16 K 558/04) hat bereits das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass die für den Vorsteuerabzug notwendige Zuordnungsentscheidung i.d.R. schon mit Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung getroffen werden muss. Mit Verfügung vom 14.7.2008 (S 7206/S 7300 A-St 44 5) hat die OFD Koblenz nochmals die Verwaltungsgrundsätze zur Umsetzung der Seeling-Rechtsprechung veröffentlicht.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.08.2008, 6 K 2333/06