Leitsatz
1. Ob Ausschüttungen einer ausländischen Gesellschaft gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG außer Ansatz bleiben, richtet sich nach dem sog. Typenvergleich. Sowohl das ausländische Rechtsgebilde als auch die konkrete Beteiligungsform des Steuerpflichtigen müssen vom Typ her den Gesellschafts- und Beteiligungsformen gleichen, die in diesen Regelungen angeführt werden. Entscheidend ist eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft sowie deren konkrete Ausformung in ihrer Satzung.
2. Für den Typenvergleich der konkreten Beteiligungsform mit einer Aktie kommt es grundsätzlich darauf an, ob die Beteiligungsform als mitgliedschaftliche Beteiligung anzusehen ist, die dem Anteilseigner Vermögens- und Mitverwaltungsrechte einräumt. Dies setzt aber nicht voraus, dass sämtliche Einzelheiten der ausländischen Beteiligungsform auch für inländische Aktien umsetzbar wären.
3. Aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des § 8b Abs. 5 KStG 2001 richtet sich die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben beim Bezug steuerfreier Dividenden im Jahr 2001 grundsätzlich nach § 3c Abs. 1 EStG.
Normenkette
§ 8b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 AuslInvestmG, Art. 10, Art. 11, Art. 23 Abs. 2 DBA-USA 1989
Sachverhalt
Die in Deutschland ansässige Klägerin, eine GmbH, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Y‐AB (EU-Ausland). Die nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware gegründete X‐Inc. gehört ebenfalls zum Konzern der Y‐AB und ist eine Schwestergesellschaft der Klägerin.
Am 26.11.2001 gab die X‐Inc. gegen eine entsprechende Zahlung an die Klägerin eine bestimmte Zahl Anteile "Series A Cumulative Convertible Preferred Stock" ("Preferred Shares" – Vorzugsaktien) aus. Zum 31.12.2001 entsprach dies einer Beteiligung an den insgesamt ausgegebenen Anteilen von 30 %. Dem lagen detailreiche, u.a. von Regelungen des amerikanischen Steuer- und Gesellschaftsrechts beeinflusste Vereinbarungen zugrunde, von deren Darstellung abgesehen wird.
Die Klägerin erhielt auf ihre Vorzugsaktien im Streitjahr Ausschüttungen, die ihr über die Y‐AB ausgezahlt wurden. In ihrer deutschen Steuererklärung behandelte sie diese Ausschüttungen als steuerfreie Beteiligungserträge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die US-Steuerbehörden gingen dagegen von steuerlich abzugsfähigem Zinsaufwand der X‐Inc. und entsprechenden Zinseinkünften der Klägerin aus, die auf Grundlage des DBA‐USA 1989 nicht in den USA besteuert wurden. Das FA behandelte die Ausschüttungen auf die Vorzugsaktien der X‐Inc. als steuerpflichtige Zinserträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und erließ am 11.6.2010 entsprechend geänderte Bescheide über KSt 2001 und über den GewSt-Messbetrag 2001.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Nürnberg, Urteil vom 30.1.2018, 1 K 655/16, Haufe-Index 13003137, EFG 2019, 802).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin war überwiegend erfolgreich. Dies führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache aufgrund eines anderen rechtlichen Gesichtspunkts (siehe Leitsatz 3), von dessen Erläuterung mangels aktueller Bedeutung abgesehen wurde.
Hinweis
1. Mit der Besprechungsentscheidung hat der I. Senat des BFH seine Rechtsprechung zum Typenvergleich bestätigt und konkretisiert.
2. Seit der sog. Venezuela-Entscheidung des RFH ist der Typenvergleich fester Bestandteil des Körperschaftsteuerrechts. Hauptanwendungsbereich für den Typenvergleich ist die Frage der persönlichen Körperschaftsteuerpflicht eines ausländischen Rechtsgebildes. Deshalb betreffen die meisten BFH-Entscheidungen den § 1 Abs. 1 KStG. Vorliegend geht es um die sachliche Steuerpflicht eines Kapitalertrags. Auch hier kommt es für die Beantwortung der Frage, ob die Ausschüttung des ausländischen Rechtsgebildes einen Beteiligungsertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG – mit der weiteren Folge der Steuerfreiheit gemäß § 8b Abs. 1 KStG – oder aber einen – steuerpflichtigen – Zinsertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG darstellt, auf den Typenvergleich an.
3. Der Typenvergleich, der zur Entscheidung dieser Abgrenzungsfrage anzustellen ist, ist ein doppelter. Denn zunächst muss das ausländische Rechtsgebilde in den Blick genommen werden. Ist dieses von seiner Struktur her einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar oder handelt es sich doch eher um eine Personengesellschaft? Ein Typenvergleich ist sodann aber auch zur Beurteilung der Frage anzustellen, ob die konkrete Beteiligung an dem ausländischen Gebilde und die hieraus bezogene Geldleistung strukturell z.B. mit der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich genannten Aktie vergleichbar ist.
4. Eine solche Vergleichbarkeit mit einer inländischen Aktie setzt grundsätzlich voraus, dass die Beteiligung als mitgliedschaftliche qualifiziert werden kann. Prägend dafür wiederum ist das Bestehen von Vermögens- sowie von Mitverwaltungsrechten....