0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) v. 19.12.2016 (BGBl. I S. 2986) hat die Norm zum 1.1.2017 eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die stationsäquivalente psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld ist als eine gleichwertige Behandlungsform der Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1 Satz 1 eingeführt worden. Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen und leistungsrechtlichen Voraussetzungen entscheidet das Krankenhaus, ob es die Krankenhausbehandlung vollstationär oder stationsäquivalent im häuslichen Umfeld durchführt. Es besteht kein Vorrangverhältnis. Durch die Einführung dieser Behandlungsform hat der Gesetzgeber eine Lücke schließen wollen, die bei der Behandlung psychisch schwerkranker Menschen besteht. Bis dahin gab es nur die Möglichkeit der stationären Aufnahme, wenn die Betroffenen im Rahmen einer ambulanten oder teilstationären Behandlung in einer Tages- oder Nachtklinik nicht angemessen versorgt werden konnten. Der Verbleib im gewohnten Lebensumfeld bei Vorliegen der Notwendigkeit einer stationären Behandlung verringert die Einschnitte im Alltagsleben und ermöglicht eine stärkere individuelle Ausrichtung der Behandlung. Daneben kann durch die Behandlung im häuslichen Kontext auch die Erziehungskompetenz des betroffenen Elternteils erhalten bleiben und somit die familiären Verhältnisse stabilisieren. Die Kontinuität einer therapeutischen Beziehung ist einer der effektstärksten Wirkfaktoren in der Therapie psychisch kranker Menschen. Es handelt sich dabei um eine komplexe Behandlungsform des Krankenhauses, die patientenorientiert und medizinisch indiziert nicht an ein stationäres Bett gebunden ist ("Krankenhausbehandlung ohne Bett", BT-Drs. 18/9528 S. 46 f.).
Rz. 3
Der Behandlungsform nach handelt es sich um eine psychiatrische Akutbehandlung. Sie entspricht nach § 39 Abs. 1 Satz 5 hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung, d. h., dass sie ebenso wie eine vollstationäre Behandlung nur in akuten Krankheitsphasen erbracht werden kann, in denen diese Form der komplexen Intensivbehandlung erforderlich ist. Erforderlich ist eine stationäre Behandlung bei einem schweren psychiatrischen Leiden nur, wenn nur auf diese Weise ein notwendiger komplexer Behandlungsansatz erfolgversprechend verwirklicht werden kann, weil es auf das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams z. B. aus Diplom-Psychologen, Sozialpädagogen, Ergo-, Bewegungs- und sonstigen Therapeuten sowie psychiatrisch geschultem Personal unter fachärztlicher Leistung ankommt (BSG, Urteil v. 16.2.2005, B 1 KR 18/03 R). Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit muss während der gesamten Behandlungsdauer fortbestehen.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzungen der Behandlungsform (Abs. 1)
Rz. 4
Nach Abs. 1 Satz 1 sind nur psychiatrische Krankenhäuser mit regionaler Versorgungsverpflichtung sowie Allgemeinkrankenhäuser mit selbständigen, fachärztlich geleiteten, psychiatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung berechtigt, in medizinisch geeigneten Fällen anstelle einer vollstationären Behandlung in akuten Krankheitsphasen eine stationsäquivalente psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile fachärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams zu erbringen. Das Krankenhaus trifft die therapeutische und organisatorische Entscheidung über die Erbringung der Leistung. Dabei ist eine formale Entscheidung durch Verwaltungsakt nicht notwendig (Knittel, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB V, § 115d Rz. 7). Die Komplexität der stationsäquivalenten Behandlung und die Notwendigkeit, dabei auch kurzfristig auf die Infrastruktur des Krankenhauses zurückgreifen zu können, sind maßgebliche Grundlage der Entscheidungskompetenz. Der Krankenhausträger muss deswegen sicherstellen, dass die erforderlichen Ärzte und nichtärztlichen Fachkräfte und die notwendigen Einrichtungen für eine stationsäquivalente Behandlung bei Bedarf zur Verfügung stehen (Abs. 1 Satz 2). Die Behandlung durch das Krankenhaus geht aufgrund dessen Therapieverantwortung insofern strukturell über eine aufsuchende Behandlung durch an der ambulanten Versorgung teilnehmende Leistungserbringer wie niedergelassene Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren oder psychiatrische Institutsambulanzen hinaus. Das Krankenhaus kann allerdings nach Abs. 1 Satz 3 diese Leistungserbringer in geeigneten Fällen, z. B. wegen der Wohnortnähe oder der Behandlungskontinuität, mit der Durchführung von Teilen der Behandlung beauftragen, muss allerdings die Qualität der stationsäquivalenten Gesamtbehandlung gewährleisten. Die Vergütung erfolgt auch dann ausschließlich gegenüber dem Krankenhaus nach Krankenhausfinanzierungsrecht (§ 17d Abs. 2 Satz 1 KHG).
Rz. 5
Häusliches Umfeld ist die Wohnung oder das Haus der erkrankten Person. Der Verbleib im gewohnten Lebensumfeld ermöglicht eine stärkere individuelle Ausrichtung der Behandlung auf den persönlichen Lebenskontext. Bei Pat...