Rz. 19
Nach Abs. 1 Satz 2 HS 2, jetzt Satz 3, sind außerdem allgemeine Tatsachen zu bestimmen, die ggf. eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich machen können. In Anlage 2 zum AOP-Vertrag sind allgemeine Tatbestände aufgeführt, bei deren Vorliegen vorrangig eine stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Dabei wird nach allgemeinen individuellen Tatbeständen und morbiditäts-/diagnosebedingten allgemeinen Tatbeständen unterschieden. Als allgemeine individuelle Tatbestände bzw. Kriterien sind die fehlende Sicherstellung der Versorgung des Patienten im familiären bzw. häuslichen Umfeld oder die pflegerische Nachbetreuung anzusehen. Solche sozialen Faktoren, die eine ambulante Versorgung postoperativ gefährden können, sind:
- fehlende Kommunikationsmöglichkeit des Patienten im Fall von postoperativen Komplikationen und/oder fehlende sachgerechte Versorgung im Haushalt des Patienten; zu den morbiditäts-/diagnosebedingte allgemeinen Tatbeständen bzw. Kriterien, welche eine stationäre Durchführung von i. d. R. ambulant durchführbaren Operationen und Eingriffen erforderlich machen können, zählen beispielsweise klinisch relevante Begleiterkrankungen z. B. aufgrund Gerinnungsstörungen, Koronarsyndrom, Herzinsuffizienz (III./IV. Grades), anamnestische maligne Hyperthermie, (relevante) Lungenfunktionsstörung, sonstige überwachungspflichtige Behandlung,
- besondere postoperative Risiken, z. B. aufgrund von postoperativer Überwachungspflichtigkeit von mehr als 8 Stunden nach Beendigung des Eingriffs (z. B. endokriner oder metabolischer Status),
- Schwere der Erkrankung, z. B. Bewusstlosigkeit, Verwirrtheitszustand, akute Lähmung, akuter Sehverlust, akute Blutung,
- erhöhter Behandlungsaufwand, z. B. kontinuierliche intravenöse Medikamention/Infusion, kontinuierliche intensive Überwachungsnotwendigkeit, kontinuierliche assistierte oder kontrollierte Beatmung, bedrohliche Infektion, anhaltendes Fieber, andere akute Funktionsstörungen oder gegenüber dem Regelfall sehr komplexe Eingriffe.
Zu den allgemeinen Tatbeständen gehören auch die im gemeinsamen Katalog für das Prüfverfahren gemäß § 17c Abs. 4 Satz 9 KHG aufgeführte Kriterien (G-AEP-Kriterien), die Transparenz darüber schaffen sollen, wann nach Auffassung der Vertragspartner des G-AEP-Kriterien-Katalogs (GKV-Spitzenverband und DKG) eine stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus zweifellos und unstrittig erforderlich ist (https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/amb_stat_vers/ambulantes_operieren/aop_vertrag/KH_G-AEP-Kriterien_2004-04-06.pdf). Der aus dem US-amerikanischen Gesundheitswesen übernommene Begriff "Appropriateness evaluation protocol" wird meist abgekürzt verwendet (AEP bzw. G-AEP) oder als G-AEP-Kriterien (German appropriate evaluation protocol-Kriterien) bezeichnet. Es handelt sich hierbei um die vereinbarte Grundlage für die Beurteilung der Notwendigkeit stationärer Behandlungen, also um eine nicht abschließende Positivliste der unstreitig notwendigerweise vollstationär zu versorgenden Behandlungsfälle. Die Kriterien dienen in erster Linie der angemessenen (vgl. appropriate) Überprüfung der primären Fehlbelegung nach § 17c KHG, sind aber nach § 3 Abs. 3 AOP-Vertrag auch geeignet, die Frage mit zu entscheiden, ob eine Operation/ein stationsersetzender Eingriff ambulant durchgeführt werden kann oder vollstationär durchgeführt werden muss. Die 3 Vertragspartner des AOP-Vertrages beabsichtigen, bei Änderungen der Kriterien deren Anwendbarkeit im Zusammenhang mit Leistungen nach § 115b zu prüfen und über die Übernahme in die allgemeinen Tatbestände zu entscheiden, im Übrigen aber den Katalog regelmäßig zu überarbeiten (§ 3 Abs. 3 und 4 AOP-Vertrag).
Die G-AEP-Kriterien, welche eine stationäre Krankenhausbehandlung erfordern, sind unterteilt nach
- Schwere der Erkrankung (z. B. plötzliche Bewusstlosigkeit oder akuter Verwirrtheitszustand, Koma oder Nichtansprechbarkeit),
- Intensität der Behandlung (z. B. mehrfache Kontrolle der Vitalzeichen, auch mittels Monitor, mindestens alle 4 Stunden),
- Operation/Invasive Maßnahmen (außer Notfallmaßnahmen) wie z. B. Operation/Prozedur, die unstrittig nicht ambulant erbracht werden kann oder Leistungen, die nach § 115b i.d.R. ambulant erbracht werden sollen sowie mit Sternchen gekennzeichnete Leistungen aus dem aktuellen Katalog ambulanter Operationen und stationsersetzender Eingriffe nach Anlage 1 AOP-Vertrag und ein Kriterium der allgemeinen Tatbestände gemäß AOP-Vertrag erfüllen,
- Komorbiditäten in Verbindung mit Operationen oder krankenhausspezifischen Maßnahmen (z. B. Blutkrankheiten: Operationsrelevante Gerinnungsstörung; operationsrelevante, therapiepflichtige Blutkrankheit),
- Notwendigkeit intensiver Betreuung in Verbindung mit Operationen oder anderen krankenhausspezifischen Maßnahmen (z. B. Amputationen/Replantationen, Kathetergestützte Schmerztherapie),
- soziale Faktoren, aufgrund derer eine sofortige medizinische Versorgung nicht möglich wäre, in Verbindung mit Operationen oder krankenhauss...