Rz. 5

Die Formulierung "die Krankenkassen dürfen Verträge schließen" überlässt das Handeln den Krankenkassen, die in eigener Zuständigkeit darüber befinden, ob und mit welchen europäischen Leistungserbringern sie Vertragsbeziehungen aufnehmen wollen und wie diese Beziehungen gestaltet werden sollen. Für die Krankenkasse ist zunächst ihre Versichertenzahl (Marktanteil) maßgebend und/oder ob der Kassenbezirk in Grenznähe liegt. Allerdings ist durch die Rechtsvorschrift der Zweck des Vertragsabschlusses insoweit vorgegeben, als es um die Versorgung der Versicherten dieser Krankenkasse geht. Damit scheiden Vertragsbeziehungen, die anderen Zwecken dienen, zunächst einmal aus; andererseits ist der Begriff "Versorgung der Versicherten" so weit gefasst, dass darunter vieles verstanden werden kann, was über die eigentliche Diagnostik und Therapie des kranken Versicherten hinausgeht. So kann sich ein Vertrag mit einem oder mehreren europäischen Leistungserbringern z. B. auf die verwaltungsmäßige Abwicklung und/oder die Parameter der Leistungsqualität beziehen. Angesprochen ist die einzelne Krankenkasse; sie hat aber mit vorheriger genereller Bevollmächtigung die Möglichkeit, im Namen aller Krankenkassen derselben Kassenart den Vertrag mit dem europäischen Leistungserbringer zu schließen. Alternativ kann jede Krankenkasse derselben Kassenart selbst entscheiden, ob sie den Vertrag unterzeichnet oder einem abgeschlossenen Vertrag beitritt.

 

Rz. 5a

Auf Seiten der Leistungserbringer kommen für den Vertrag in erster Linie europäische Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken in Betracht. Dies gilt auch für ausländische Versandapotheken, wenn ihre Lieferung nach Deutschland dem Qualitätssicherungssystem nach dem Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG) gleichwertig ist und sie von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erhalten haben, Arzneimittel nach Deutschland einzuführen. In grenznahen Gebieten können auch europäische Leistungserbringer von Heil- oder Hilfsmitteln, Hebammen und Entbindungshelfer und ggf. auch sonstige Leistungserbringer für Haushaltshilfe, häusliche Krankenpflege oder Soziotherapie Vertragspartner sein. Insbesondere die mit dem GMG unter strengen Sicherheitsauflagen erfolgte Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln (vgl. Art. 23 GMG i. V. m. der Änderung des § 43 Arzneimittelgesetz) hat einige Krankenkassen veranlasst, mit europäischen Versandhandelsapotheken z. B. in den Niederlanden und der Schweiz Lieferverträge zu schließen.

 

Rz. 5b

Inhaltlich sollte der Vertrag insbesondere Regelungen zu den Verpflichtungen der Vertragspartner (deutschsprachige Ansprechpartner), zum Geltungsbereich, zum Leistungsumfang (z. B. ambulante und stationäre Akutbehandlung, evtl. Arzneimittel), zu den Qualitätskriterien, zur Vergütung/Abrechnung ohne Forderung eines privaten Honorars, zum Apothekenabgabepreis einschließlich Rabatt und Regelung der Zuzahlung des Versicherten, zur Evaluation, zum Datenschutz, zur Dauer/Kündigung und zur Wirksamkeit des Vertrages enthalten. Ob für den Vertrag ein Ausschreibungsverfahren erforderlich ist, richtet sich insbesondere danach, ob ein entgeltlicher Vertrag oder eine sog. Dienstleistungskonzession vorliegt, für die kein förmliches Ausschreibungsverfahren vorgeschrieben ist.

 

Rz. 6

Das Gesetz enthält zusätzlich die Beschränkung, dass die Verträge nur nach Maßgabe des im Inland geltenden Leistungsrechts, also nach dem 3. Kapitel SGB V und den dazugehörigen untergesetzlichen Normen (z. B. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses), geschlossen werden dürfen. Damit ist klargestellt, dass der Versicherte keine Leistungen erhalten kann, die in dem anderen europäischen Staat, aber nicht innerhalb der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung üblich sind. Das wird jedoch in den meisten Fällen die Ausnahme sein, weil der deutsche Leistungskatalog in der Regel umfassender ist als der in den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz. Allerdings wird über diesen Weg auch ausgeschlossen, dass der Versicherte im europäischen Ausland Leistungen erhalten kann, die im deutschen Leistungskatalog aufgrund des GMG oder anderer Gesetze gestrichen worden sind. Der Hinweis auf § 13 Abs. 4 Satz 2 bedeutet, dass im europäischen Ausland auch nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden dürfen, welche die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufs zur Versorgung der Versicherten im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des anderen europäischen Aufenthaltstaates erfüllen.

 

Rz. 7

Gegenstand der Verträge ist im Übrigen die vertragliche Verpflichtung, die Versicherten im Krankheitsfall zulasten der Krankenkasse zu behandeln, mithin ein auf einem Vertrag gründendes Sachleistungsprinzip. Ein Kostenerstattungsprinzip würde demgegenüber im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen dem Versicherten und dem Leistungserbringer abgewickelt, während der...

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