Rz. 22
Das Erfordernis der Zustimmung auch der Arbeitnehmer bei der Errichtung einer Krankenkasse war schon als generelle Regelung in § 225a RVO enthalten und begrenzt das (einseitige) Recht des Arbeitgebers auf Errichtung einer BKK gemäß § 147. Das Abstimmungsverfahren stellt ein Zwischenverfahren innerhalb des Errichtungsverfahrens dar, das nicht selbständig mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Eine Errichtung gegen den Willen der Arbeitnehmer ist nicht möglich; bei fehlender Zustimmung ist die Genehmigung zu versagen (vgl. Rz. 8).
Rz. 23
Die verfassungsrechtliche Legitimation dieses Zustimmungserfordernisses der Beschäftigten für die Errichtung einer BKK wird von Schnapp (NZS 2002 S. 449) in Zweifel gezogen, und zwar einerseits vor dem Hintergrund, dass die fehlende Zustimmung der Mehrheit der Beschäftigten in Abs. 1 Satz 2 nicht ausdrücklich als Versagungsgrund für die Genehmigung genannt ist (vgl. dazu Rz. 8), und andererseits, weil die Errichtung einer BKK seit der Einführung der Wahlrechte im Jahre 1996 nicht mehr zu einer gesetzlichen Zuweisung der Beschäftigten zur BKK führt. Bei dieser Argumentation wird aber übersehen, dass ungeachtet des weitgehenden Wegfalls gesetzlicher Zuweisungen und Zuständigkeiten eine BKK als betriebsbezogene Krankenkasse errichtet wird und damit dann von den Beschäftigten und Betriebsrentnern gewählt werden kann. Man mag seine Zweifel haben, ob die Zustimmung der Beschäftigten erforderlich ist, um die Errichtung einer BKK demokratisch zu legitimieren, wie dies als Begründung im Zusammenhang mit der Neuregelung des abstimmungsberechtigten Personenkreises durch das GSG geschehen ist (BT-Drs. 12/3609 S. 109).
Rz. 24
Andererseits würde eine Errichtung ohne Zustimmung der im Betrieb Beschäftigten dem Arbeitgeber allein das Recht zur (quasi abstrakten) Errichtung einer Krankenkasse als öffentlich-rechtlichem Versicherungsträger einräumen. Da der Zweck der geschlossenen BKK allein die Krankenversicherung der Beschäftigten und Betriebsrentner ist, diese auch im Verwaltungsrat vertreten sein müssen (§ 44 SGB IV) und die Versicherten diesen zu wählen haben (§ 46 SGB IV), spricht diese Beteiligung an der Selbstverwaltung dafür, dass sie auch an der Errichtung dieser Krankenkasse durch die gesetzlich vorgesehene Zustimmung beteiligt werden. Nach dem Wegfall der gesetzlichen Zuweisung von Versicherten kommt der Durchführung des Abstimmungsverfahrens zudem Bedeutung für den Bedarf an dieser zusätzlichen Krankenkasse und für die Mindestmitgliederzahl zum Errichtungszeitpunkt zu. Aus dem Abstimmungsergebnis kann anhand der Zustimmungen abgelesen werden, ob sich voraussichtlich eine hinreichende Zahl der Beschäftigten für die Mitgliedschaft in der BKK entscheiden wird. Daher ist die gesetzlich angeordnete Zustimmung der Beschäftigten für die Errichtung eines öffentlichen Versicherungsträgers auch hinreichend legitimiert.
Rz. 25
Der bei der Errichtung abstimmungsberechtigte Personenkreis bestand zunächst nur aus den volljährigen Arbeitnehmern, die der BKK nach der Errichtung angehörten oder angehören könnten. Für die Zustimmung war die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend. Mitglieder von Ersatzkassen waren daher nicht an der Abstimmung beteiligt (vgl. BSG, Urteil v. 8.4.1987, 1 RR 14/85, USK 87152).
Rz. 26
Durch das GSG ist ab 1993 sowohl der abstimmungsberechtigte Personenkreis als auch der Umfang der Zustimmung neu festgelegt worden. Entscheidend ist nunmehr die Zustimmung der Mehrheit der im Betrieb Beschäftigten. Begründet worden war die Gesetzesänderung damit (BT-Drs. 12/3608 S. 109), dass der Tatsache Rechnung getragen werden solle, dass von der Errichtung einer BKK die gesamte Belegschaft finanziell betroffen sein kann und auch privat versicherte Arbeitnehmer betroffen sein können, da sich der Beitragszuschuss gemäß § 257 Abs. 2 nach der Beitragshöhe der gesetzlich zuständigen Krankenkasse richtet. Diese Begründung ist durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen überholt, da die Errichtung nicht mehr zwingend zu einer unmittelbaren Mitgliedschaft in der BKK führt (vgl. Rz. 17, 46 ff.) und der Beitragszuschuss für privat Krankenversicherte nach § 257 Abs. 2 sich nicht mehr nach dem Beitragssatz der sonst (gesetzlich) zuständigen Krankenkasse richtet, sondern nach den gesetzlichen Beitragssätzen der §§ 241, 243 (vgl. Komm. zu § 257).
Rz. 27
Der abstimmungsberechtigte Personenkreis umfasst nunmehr alle Beschäftigten des Betriebes, ungeachtet deren Volljährigkeit, Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit oder der gegenwärtigen oder künftigen Krankenkassenmitgliedschaft. Zu den Beschäftigten sind auch solche Arbeitnehmer zu zählen, deren Arbeitsverhältnisse (z. B. wegen Wehr- oder Zivildienst, Elternzeit etc.) ruhen.
Rz. 28
Nach der Gesetzesbegründung sollen solche Personen nicht abstimmungsberechtigt sein, von denen bekannt ist, dass diese zum Errichtungszeitpunkt nicht mehr Beschäftigte des Betriebes sein werden. Diese Aussage wird von dem Wortlaut der Regelung nicht gede...