0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Regelung knüpft an § 319a RVO an und hat ihre Fassung durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz – GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) mit Wirkung zum 1.1.1989 erhalten. Die Vorschrift stellt sicher, dass familienversicherte Angehörige (§ 10) nicht erst bei der Inanspruchnahme von Leistungen in das Versichertenverzeichnis aufgenommen werden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Norm flankiert die Verpflichtung der Krankenkassen, ein Versichertenverzeichnis zu führen (vgl. Komm. zu § 288). Die Regelung soll sicherstellen, dass Familienversicherte nicht erst im Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Leistungen in das Versichertenverzeichnis aufgenommen werden. Die Erfassung der Familienversicherten im Versichertenverzeichnis ist von besonderer Bedeutung, weil die Familienversicherung an zahlreiche und sich häufig ändernde Voraussetzungen geknüpft ist. Ihr kommt auch wegen ihrer Einbeziehung in den Risikostrukturausgleich eine besondere Bedeutung zu (Peters, in: KassKomm. SGB V, § 289 Rz. 2). Dort hat eine nicht ordnungsgemäße Führung der Versichertenverzeichnisse im Hinblick auf die Familienversicherten entgegen §§ 288, 289 zu nicht unerheblichen Problemen geführt (vgl. BSG, Urteil v. 24.1.2003, B 12 KR 19/01 R).
2 Rechtspraxis
2.1 Feststellung der Familienversicherung (Satz 1)
Rz. 3
Die Versicherung der Angehörigen (§ 10) ist bei ihrem Beginn festzustellen. Die angeordnete Feststellung des Beginns der Familienversicherung hat ausschließlich Bedeutung für die Eintragung in das Versichertenverzeichnis. Demgegenüber ist sie für die Begründung des Versicherungsverhältnisses von Angehörigen irrelevant, da es insoweit nur darauf ankommt, ob die Voraussetzungen des § 10 erfüllt sind (BSG, a. a. O.; Peters, a. a. O., Rz. 2; Roß, in: LPK-SGB V, § 289 Rz. 4).
2.2 Auskunftspflicht (Satz 2)
Rz. 4
§ 10 macht die Familienversicherung von zahlreichen Voraussetzungen abhängig. Zur Klärung dieser Voraussetzungen können Krankenversicherungsträger die erforderlichen Daten vom Angehörigen oder – mit dessen Zustimmung – vom Mitglied erheben. Die Zustimmung kann vorher als Einwilligung (§ 183 BGB) erteilt oder nachträglich als Genehmigung (§ 184 BGB) erklärt werden. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Sie kann schriftlich, mündlich und auch durch schlüssiges ("konkludentes") Verhalten geäußert werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte i. d. R. eine schriftliche Zustimmung eingeholt werden (Koch, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 289 Rz. 13).
Rz. 4a
Die Daten sind vorrangig beim familienversicherten Angehörigen zu erheben (§ 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X), wenn dieser das 15. Lebensjahr vollendet und die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit (§ 36 SGB I) erlangt hat. Die Zustimmung eines Angehörigen, die Daten beim Mitglied zu erheben, ist erst von diesem Zeitpunkt an erforderlich.
Rz. 5
§ 10 Abs. 6 normiert eine Meldepflicht des Stammversicherten. Auf eine Einwilligung des Angehörigen kommt es hierbei nicht an. Diese Regelung steht in einem gewissen Widerspruch zur Auskunftspflicht nach Satz 2, die nur den Angehörigen des Stammversicherten als auskunftspflichtig ansieht (zur Meldepflicht nach § 10 Abs. 6 vgl. Komm. zu § 10 Abs. 6). Im Zweifelsfall sollte sich die Krankenkasse mit ihrem Auskunftsbegehren unmittelbar an den Angehörigen werden.
2.3 Nachweispflicht (Satz 3)
Rz. 6
Der Fortbestand der Voraussetzungen der Familienversicherung ist auf Verlangen der Krankenkasse nachzuweisen. Die Vorschrift sieht vor dem Hintergrund der diffizilen und sich häufig ändernden Voraussetzungen der Familienversicherung kontinuierliche Prüfungen durch die Krankenkassen vor (Roß, a. a. O., Rz. 3).
Rz. 6a
Die Krankenkasse kann sich der Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung der Voraussetzungen der Familienversicherung für erforderlich hält (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X). In Betracht kommen insoweit Urkunden und Akten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X), deren Vorlage verlangt werden kann, zumal sich diese Unterlagen oder Akten regelmäßig im Besitz des Angehörigen oder des Mitgliedes befinden. Ansonsten können Auskünfte zu den erforderlichen Daten beim Angehörigen oder mit dessen Zustimmung beim Mitglied eingeholt werden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Die Unterlagen oder Akten sind der Krankenkasse zur Einsichtnahme in der Geschäftsstelle oder durch Übersendung vorzulegen.
Rz. 7
Kommen Stammversicherte bzw. Angehörige der Auskunftspflicht nicht nach, kann die Krankenkasse gemäß § 66 SGB I nach Ausübung von Ermessen ggf. Leistungen versagen. Wird die Mitwirkung nachgeholt, kann sie jedoch bei einer Ermessensreduzierung auf Null nach § 67 SGB I verpflichtet sein, Leistungen rückwirkend zu erbringen. Gemäß § 15 Abs. 6 Satz 6 kann die Krankenkasse die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte von einer Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.
3 Literatur und Materialien
Rz. 8
Axer, Der Risikostrukturausgleich auf dem Prüfstand des Bundessozialgerichts, SGb 2003 S. 485.
Hoffmann, Die datenschutzrechtliche Einwilligung im Gesundheitsbereich unter der DSGVO – Unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben in Deuts...