Rz. 20
Bei Erkrankung eines Kindes kommt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 ein Anspruch auf Kinderkrankengeld nur zustande, wenn keine andere Person im Haushalt lebt, die anstelle des anspruchsberechtigten Versicherten die notwendige Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege des betreffenden Kindes übernehmen kann.
In den Fällen des § 45 Abs. 1 Satz 1 kommt es auf eine verwandtschaftliche Beziehung zum anspruchsberechtigten Versicherten nicht an. Eine Freundin kann z. B. auch als eine andere im Haushalt lebende Person gelten, wenn sie tatsächlich in dem Haushalt (mit zumindest teilweiser Wirtschaftsgemeinschaft) integriert ist, offiziell ihren Wohnsitz aber noch in einer anderen Stadt angemeldet hat. Dagegen ist die finanziell eigenständige Großmutter, die zwar im gleichen Haus wohnt, aber eine eigene Wohnung/Haushaltsführung hat, nicht dem Haushalt des anspruchsberechtigten Versicherten zuzuordnen.
Befindet sich im Haushalt eine für die Beaufsichtigung etc. geeignete Person, ist der Anspruch auf das Kinderkrankengeld ausgeschlossen. Das gilt auch für im Haushalt lebende ältere Jugendliche, von denen bestimmte altersentsprechende Tätigkeiten gefordert werden dürfen; sie haben ihre Fähigkeiten in gewissem Rahmen einzubringen.
Wer sich nur besuchsweise im betreffenden Haushalt aufhält, ist keine andere im Haushalt lebende Person (in Anlehnung an BSG, Urteil v. 22.4.1987, 8 RK 22/85). Dieses gilt auch für den getrennt lebenden oder geschiedenen, in einem anderen Haus wohnenden Ehegatten, der sich ab und zu im Haushalt aufhält; in diesen Fällen kann nicht von häuslicher Gemeinschaft gesprochen werden (BSG, Urteil v. 26.6.2007, B 1 KR 33/06 R; vgl. auch BSG, Entscheidung v. 7.3.1990, 3 RK 16/89). Hierbei spielt es keine Rolle, dass dieser außerhalb des Haushalts wohnende geschiedene Ehegatte aufgrund der Vorschriften des BGB zum Unterhalt verpflichtet ist.
Wird das erkrankte Kind im Rahmen einer sog. Erziehungsstelle betreut (betreute Wohnform; vgl. § 34 SGB VIII) und steht der dem Grunde nach anspruchsberechtigte Versicherte in einem Beschäftigungsverhältnis zum Träger dieser Einrichtung, besteht kein Anspruch auf Kinderkrankengeld.
Rz. 21
Die Tatsachen, warum die andere im Haushalt lebende Person die Betreuung des Kindes nicht übernehmen kann, sind der Krankenkasse vom anspruchsberechtigten Versicherten glaubhaft zu machen. Zur Glaubhaftmachung bedarf es einer sorgfältigen und möglichst detaillierten Darstellung der Haushaltssituation und der Auswirkungen durch den Ausfall; denn im Allgemeinen ist der andere Ehegatte zur Weiterführung verpflichtet.
Der Grund für eine (zumindest teilweise) Verhinderung an der Betreuung des Kindes durch eine im Haushalt lebende Person kann z. B.
- auf dessen Berufstätigkeit bzw. schulischen Verpflichtungen (einschließlich der erforderlichen Zeit für Wege und Nacharbeit) oder
- auf deren Krankheit/Behinderung/Pflege oder
- auf deren Alter oder Gebrechlichkeit
beruhen (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.2000, B 1 KR 15/99 R). Haushaltsmitglieder müssen also nicht eine Berufstätigkeit aufgeben oder einschränken, um die Betreuung sicherzustellen (BSG, Urteil v. 28.1.1977, 5 RKn 32/76). Dieses würde die Grenze des Zumutbaren überschreiten.
Nach Auffassung des Autors gilt dies auch, wenn zwar der in Betracht kommende Haushaltsangehörige arbeitslos und damit zu Hause ist, an dem jeweiligen Tag jedoch gegenüber dem Arbeitsamt seinen Mitwirkungspflichten nachgehen muss (z. B. Vorstellungspflicht entweder beim Arbeitsamt selbst oder bei einem vom Arbeitsamt bestimmten potenziellen Arbeitgeber). Allerdings wird dann das Kinderkrankengeld nur für die Stunden gezahlt, an denen der versicherte Elternteil seine Arbeit wegen der häuslichen Abwesenheit des Haushaltsangehörigen unterbrechen musste.
Ein Grund, als "anderer" Haushaltsangehöriger die notwendige Betreuung des Kindes abzulehnen, liegt nicht vor
- an arbeitsfreien Tagen des Haushaltsangehörigen,
- für Zeiten eines bezahlten Urlaubs des Haushaltsangehörigen (Erholungsurlaub) oder
- bei witterungsbedingten oder sonstigen Arbeitsausfällen bzw. Kurzarbeit des Haushaltsangehörigen (für die Zeit des Ausfalls)
(vgl. BSG, Urteil v. 30.3.1977, 5 RKn 23/76).
Ein vom "anderen" Haushaltsangehörigen geplanter Verwandtenbesuch ohne Notwendigkeit einer Vorbuchung oder ohne dringenden familiären Anlass steht der grundsätzlichen Verpflichtung des entsprechenden Haushaltsangehörigen zur Kinderbetreuung etc. nicht entgegen (in Anlehnung an LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 17.2.2004, L 3 U 305/03).
Rz. 22
Besonderheiten gelten in den Fällen des § 45
Abs. 1a (= notwendige Mitaufnahme des Elternteils bei stationärer Behandlung des Kindes; Rz. 80 ff.) und
Abs. 4 (= bei schwerstkranken Kindern mit einem negativen Krankheitsverlauf und nur noch kurzer Lebenserwartung; Rz. 90 ff.).
Hier kann der anspruchsberechtigte Versicherte wegen Fernbleibens von der Arbeit Kinderkrankengeld auch dann beanspruchen, wenn eine andere Person im Haushalt lebt, die sich ebenfalls um dieses Kind kümmern kann.