Leitsatz
Im Jahr 1994 übte eine Sprachheilpädagogin in Niedersachsen noch nicht eine den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Heilberufen ähnliche Tätigkeit aus. Möglicherweise war sie aber unterrichtend oder erzieherisch tätig.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 2 GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Diplom-Pädagogin, hatte eine Praxis als Sprachtherapeutin in Niedersachsen eröffnet. Auf Grund ärztlicher Verordnungen führte sie im Streitjahr 1994 Sprachheilbehandlungen durch. Mehrere Krankenkassen hatten ihr eine Zulassung nach § 124 Abs. 5 SGB V erteilt, so dass sie über ihre Honorare direkt mit den Krankenkassen abrechnete. Erst nach Einführung einer entsprechenden Berufsregelung in Niedersachsen im Jahr 1998 konnte die Klägerin die Berufsbezeichnung "med. Sprachheilpädagogin" führen.
Das FA sah die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich an und erließ einen GewSt-Messbescheid. Mit der Klage wollte die Klägerin die Anerkennung als Freiberuflerin erreichen.
Entscheidung
Nachdem das FG die Klage abgewiesen hatte, brachte die Revision einen Teilerfolg für die Klägerin. Zwar lehnte der BFH es ab, den Beruf der Klägerin als dem Heilpraktiker oder Krankengymnasten ähnlich zu beurteilen. Er verwies das Verfahren aber an das FG zurück, damit dieses kläre, ob die Klägerin evtl. unterrichtend oder erzieherisch und deshalb freiberuflich tätig war.
Hinweis
1. Die Qualifizierung medizinischer Hilfsberufe als gewerblich oder freiberuflich hat den BFH in der letzten Zeit mehrfach beschäftigt. Zahlreiche neue Berufsbilder haben sich entwickelt, die nur dann den freien Berufen i.S.d. § 18 EStG zugeordnet werden können, wenn es sich um den im Gesetz ausdrücklich genannten Heilpraktikern oder Krankengymnasten (heute: Physiotherapeut) ähnliche Berufe handelt. Hieran knüpft die Rechtsprechung strenge Voraussetzungen. Der Steuerpflichtige muss eine vergleichbare Ausbildung haben und in vergleichbarer Weise beruflich tätig werden. Außerdem muss er über eine Berufszulassung verfügen, die derjenigen der Heilpraktiker oder Physiotherapeuten entspricht.
2. Die Klägerin verfügte als Diplom?Pädagogin über eine vergleichbare Ausbildung und war auch praktisch in einer dem Physiotherapeuten vergleichbaren Weise tätig. Nur fehlte ihr leider die Berufszulassung, weil es im Streitjahr noch keine gesetzlichen Regelungen für den Beruf des Sprachheilpädagogen gab, und zwar weder bundesweit noch in dem Bundesland, in dem die Klägerin sich niedergelassen hatte. Deshalb erkannte der BFH die Tätigkeit der Klägerin nicht als ähnlichen Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 EStG an.
3. Damit hatte die Klägerin in doppelter Hinsicht Pech: Einerseits wurde ihr Beruf wenige Jahre später vom Gesetzgeber anerkannt und einer Erlaubnispflicht unterstellt. Wenn dies bereits im Streitjahr gegolten hätte, wäre die Entscheidung des BFH anders ausgefallen. Andererseits hat der hier entscheidende Senat des BFH in einer später ergangenen, aber schon veröffentlichten Anfrage an den XI. Senat des BFH erkennen lassen, dass er auch in Entstehung befindliche Berufe künftig als katalogähnlich ansehen will (Beschluss vom 20.3.2003, IV R 69/00, BFH-PR 2003, 261).
Da der BFH das Verfahren zurückverwiesen hat, kann aber vom FG noch berücksichtigt werden, dass sich die Rechtslage geändert hat. Mittlerweile hat sich der XI. Senat des BFH nämlich der geänderten Auffassung des IV. Senats angeschlossen, so dass künftig wohl eine Erleichterung für neu entstehende Heilhilfsberufe gelten wird. Einzelheiten werden dem sicher bald ergehenden Urteil in dem Verfahren IV 69/00 entnommen werden können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.2.2003, IV R 49/01