Rz. 168
§ 12 Abs. 4 BewG bestimmt, wie noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen zu bewerten sind. Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 BewG stammt aus dem preußischen Ergänzungs-Steuergesetz (§ 15) und ist von dort aus über die AO 1919 (§ 143 Abs. 4) in das BewG übernommen worden (RBewG 1931 = § 16 Abs. 4; BewG 1934 = § 14 Abs. 4; BewG 1965 = § 12 Abs. 4).
Rz. 169
Eine den wirtschaftlichen Verhältnissen und auch der Rechtslage gerecht werdende Lösung zur Frage einer vermögensteuerlichen Erfassung von Versicherungsansprüchen kann nur in der Richtung gefunden werden, dass zwischen Versicherungen mit bedingter Leistungspflicht und Versicherungen mit unbedingter Leistungspflicht durch den Versicherer unterschieden wird.
Rz. 170
Bei bedingter Leistungspflicht steht es dahin, ob der Versicherer überhaupt einmal leisten muss. Eine solche bedingte Leistungspflicht des Versicherers besteht bei den reinen Schadens- bzw. Risiko-Versicherungen (Feuer-, Haftpflicht-, Kranken-, auch Unfall- usw. Versicherungen). Bei diesen Versicherungen ist die Entstehung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen an den Eintritt des Versicherungsfalls geknüpft, wobei ungewiss ist, ob das zukünftige im Versicherungsvertrag festgelegte Ereignis eintreten wird. Der Versicherungsanspruch ist aufschiebend bedingt und deshalb vor seiner Entstehung nicht zu berücksichtigen (§ 4 BewG). Umgekehrt werden auch entsprechende Lasten aus den Versicherungsverträgen vor Eintritt des Schadensfalls nicht berücksichtigt.
Rz. 171
Bei den Versicherungen mit unbedingter Leistungspflicht steht fest, dass der Versicherungsfall einmal eintreten wird und der Versicherer leisten muss. Wesentlich für die bewertungsrechtliche Erfassung solcher Ansprüche ist aber, dass nach zwingenden versicherungsrechtlichen Vorschriften ein entsprechendes Deckungskapital gebildet werden muss, das den Versicherten, sobald einmal Prämien für eine bestimmte Zeit gezahlt sind, zusteht. Die meisten Arten der Lebensversicherungen dienen auch nicht nur der Deckung des reinen Todesfallrisikos, sondern verfolgen darüber hinaus einen Sparzweck. Denn das Gesetz gewährt dem Versicherungsnehmer ein unabdingbares Recht auf den seinen Einzahlungen entsprechenden Anteil am Prämienreservefonds. Nach § 169 Abs. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer, wenn eine Kapitalversicherung durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben wird, die Auszahlung des auf seine Versicherung entfallenden Betrags der Prämienreserve verlangen. Dieses sog. Deckungskapital wird durch verzinsliche Ansammlung eines Teils der für die Versicherung bezahlten Prämien gebildet. Der übrige Teil der Prämie dient zur Deckung des Todesfallrisikos und der Verwaltungskosten. Bei den Lebens-, Kapital- und Rentenversicherungen liegt somit keine aufschiebende Bedingung i.S. des § 4 BewG vor; durch die Zahlung der Prämien erlangt der Versicherungsnehmer vielmehr schon ein geldwertes Wirtschaftsgut, das nicht erst durch den Eintritt des Versicherungsfalls zur Entstehung gelangt. § 12 Abs. 4 BewG stellt keine Ausnahmevorschrift zu § 4 BewG, sondern eine reine Bewertungsvorschrift dar. Zweck des § 12 Abs. 4 BewG ist, für die noch nicht fälligen Ansprüche aus Lebens-, Kapital- und Rentenversicherungen einen geeigneten Bewertungsmaßstab zu bestimmen.
Rz. 172
Einstweilen frei.