Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 99
Ältere Gebäude, die laufend instand gehalten werden, sind im Allgemeinen trotz des Alters nicht wertlos. Deshalb ist es zutreffend, wenn § 185 Abs. 3 Satz 5 BewG von einer Mindestrestnutzungsdauer ausgeht, die insbesondere bei älteren Gebäuden regelmäßig zum Ansatz eines Restwerts für das Gebäude führt.
Rz. 100
Als Mindestrestnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes ist nach § 185 Abs. 3 Satz 5 BewG regelmäßig mindestens 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer anzusetzen. Diese Regelung erübrigt in vielen Fällen älterer Gebäude eine Prüfung, ob die restliche Lebensdauer infolge baulicher Maßnahmen wesentlich verlängert wurde. Der Ansatz der Mindestrestnutzungsdauer von 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer unterstellt einen durchschnittlichen Erhaltungszustand.
Rz. 101
Die Mindestrestnutzungsdauer kann bei besonderen Fallgestaltungen jedoch unterschritten werden. Davon wäre beispielsweise bei einer bestehenden vertraglichen Abbruchverpflichtung für das Gebäude auszugehen.
Rz. 102
Irritationen löst die Regelung aus, nach der die Mindestrestnutzungsdauer auch für die Ermittlung der pauschalierten Bewirtschaftungskosten maßgebend ist. Diese Regelung erscheint nicht überzeugend. Denn die Mindestrestnutzungsdauer eines Mietwohngrundstücks mit einer typisierenden wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren verfügt über eine Mindestrestnutzungsdauer von (30 % × 80 Jahre =) 24 Jahre. Somit können die in Anlage 23 zum Bewertungsgesetz ausgewiesenen Bewirtschaftungskosten von 29 % bei Mietwohngrundstücken mit einer Restnutzungsdauer von unter 20 Jahren in der Praxis regelmäßig nicht angesetzt werden, weil die Mindestrestnutzungsdauer von 24 Jahren maßgebend ist.
Rz. 103
Dies gilt auch für ein gemischtgenutztes Grundstück mit einer typisierenden wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 70 Jahren (Anlage 22 zum Bewertungsgesetz). Denn bei einem gemischtgenutzten Grundstück beträgt die Mindestrestnutzungsdauer (30 % × 70 Jahre =) 21 Jahre. Somit kann es auch bei einem gemischtgenutzten Grundstück nur in seltenen Ausnahmefällen (z.B. bei einer Abbruchverpflichtung) zum Ansatz des in Anlage 23 zum Bewertungsgesetz ausgewiesenen Höchstsatzes für Bewirtschaftungskosten kommen. Wenngleich dies mit dem Hinweis auf die Wertermittlungsrichtlinien begründet werden kann, erscheint das keineswegs unmittelbar plausibel. Bereits aus optischen Gründen hätte die Finanzverwaltung auf diese Auslegung verzichten sollen, weil einem Steuerzahler kaum überzeugend zu vermitteln ist, dass die in der Anlage 22 zum Bewertungsgesetz für Gebäude mit einer "Restnutzungsdauer" von unter 20 Jahren genannten höheren Bewirtschaftungskosten unter Hinweis auf die längere "Mindestrestnutzungsdauer" nur in seltenen Ausnahmefällen berücksichtigt werden dürfen.