a) Gewisse Verbindlichkeiten
Rz. 99
Nach – soweit ersichtlich – allgemeiner Auffassung fallen darunter dem Grunde und der Höhe nach feststehende Verpflichtungen zu einer Leistung gegenüber Dritten (sog. Außenverpflichtungen), die für den Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Belastung darstellen.
Rz. 100
Die (gewisse) Verbindlichkeit kann dabei auf einem zivilrechtlichen Rechtsgrund beruhen, aber auch durch eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung begründet werden. Darüber hinaus sind als Verbindlichkeiten aber auch die rechtlich nicht existenten Verpflichtungen zu qualifizieren, denen sich der Steuerpflichtige, beispw. aus Kulanzgründen, faktisch nicht entziehen kann.
Rz. 101
Zur Qualifikation von Schulden (Verbindlichkeiten) als betriebliche Verbindlichkeiten i.S.v. § 103 Abs. 1 BewG vgl. Rz. 557 und Rz. 562 ff.
Rz. 102– 108
Einstweilen frei.
b) Rückstellungen
Rz. 109
Ebenso wie die Begriffe der Schulden und Verbindlichkeiten ist auch der Begriff der "Rückstellungen" weder im Handels(bilanz-)recht noch im Ertragsteuerrecht (Bilanzsteuerrecht) und im Bewertungsrecht gesetzlich definiert. § 249 HGB ordnet zwar an, welche Rückstellungen in der Handelsbilanz zu bilden sind, definiert diesen Begriff aber nicht unmittelbar.
Rz. 110
Unter Rückstellungen sind handelsrechtlich Betriebsvermögensminderungen zu verstehen, die bereits am Bilanzstichtag für das betreffende Unternehmen eine wirtschaftliche Belastung darstellen, aber (noch) keine Verbindlichkeiten sind. Nach dem auch hier befürworteten Schuldenbegriff i.S.d. §§ 246 Abs. 1, 247 Abs. 1 HGB und § 103 Abs. 1 BewG (vgl. oben Rz. 85 ff.) gehören die Rückstellungen zu den "Schulden".
Rz. 111
Im Unterschied zu den (gewissen) Verbindlichkeiten sind die als Rückstellungen zu qualifizierenden Verpflichtungen (noch) ungewiss. Diese Ungewissheit kann sich sowohl auf das Bestehen der Verpflichtung dem Grunde nach als auch auf deren Höhe (Bewertung) oder auf beides beziehen.
Rz. 112
§ 249 HGB statuiert für die Handelsbilanz den Ansatz von drei Arten gebotener oder jedenfalls zulässiger Rückstellungen, nämlich der Rückstellungen
- für ungewisse Verbindlichkeiten
- für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und
- für bestimmte unterlassene Aufwendungen (Aufwandsrückstellungen).
Rz. 113
Dabei stellen die praktisch bedeutsamste Gruppe die in § 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB genannten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dar. In diese wichtigste Gruppe sind auch die in § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB erwähnten Kulanzrückstellungen einzuordnen. Unter letztere fallen die Rückstellungen für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, denen sich der Steuerpflichtige (Kaufmann) jedoch aus faktischen (tatsächlichen) Gründen nicht entziehen kann. Weitere Beispiele für ungewisse Verbindlichkeiten bilden etwa die Verpflichtungen aus Wechselobligo, Jubiläumszusagen, Steuererklärungskosten betreffend betriebliche Steuern für abgelaufene Zeiträume und aus der drohenden Inanspruchnahme aufgrund betrieblich veranlasster Schadensersatzansprüche.
Rz. 114
Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz erfordert kumulativ, dass
- eine Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten besteht oder (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) entstehen wird, die eine wirtschaftliche Last i.S. einer Betriebsvermögensminderung darstellt. Die Außenverpflichtung muss bereits konkretisiert sein. Dritter in diesem Sinne kann auch eine öffentlich-rechtliche Institution (Bund, Land. Kommune, Behörde) sein.
- diese Verpflichtung dem Grund und/oder der Höhe nach ungewiss ist,
- der Steuerpflichtige (Kaufmann) aus dieser Verpflichtung wahrscheinlich in Anspruch genommen werden wird und
- der mit dieser Verpflichtung verbundene Aufwand spätestens am Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist.
Keine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit und damit auch kein wertmindernder Abzug vom (Substanz-)Wert des Betriebsvermögens kommt mangels hinreichender Konkretisierung in Bezug auf die zukünftige ertragsteuerliche Belastung aufgrund einer am Bewertungsstichtag lediglich beabsichtigten, aber noch nicht beschlossenen Liquidation einer Kapitalgesellschaft in Betracht.
Rz. 115
Ebenso wie bei den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten handelt es sich bei den Drohverlustrückstellungen (wichtigster Fall: schwebendes Geschäft mit Verpflichtungsüberhang) um Außenverpflichtungen (gegenüber Dritten). Dagegen betreffen die in § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB zugelassenen Aufwandsrückstellungen für unterlassene Instandhaltungen und Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten oder im Laufe des folgenden Geschäftsjahres nachgeholt werden, sog. Innenverpflichtungen, da sie nicht durch einen Anspruch eines Dritten, sondern durch eine Selbs...