Rz. 54

[Autor/Stand] Neben den objektiven Abgrenzungsmerkmalen der Lage und den bestehenden Verwertungsmöglichkeiten sind auch die sonstigen Umstände zu berücksichtigen. Zu diesen sonstigen Abgrenzungsmerkmalen gehören die Zwecksetzung, die weitgehend vom Willen des Grundstückseigentümers abhängt, seine Absichten über die künftige Verwendung der Fläche, aber auch seine persönlichen Verhältnisse, wie z.B. sein Beruf oder die Zeitdauer, während der er oder seine Familie Eigentümer der Fläche ist.

 

Rz. 55

[Autor/Stand] Diese sonstigen Umstände werden vor allem dann von Bedeutung sein, wenn nach dem objektiven Sachverhalt (Lage und Verwertungsmöglichkeiten) noch Zweifel über die Eigenschaft als Grundvermögen bestehen. Im Zweifel ist den objektiven Abgrenzungsmerkmalen der Vorrang vor den subjektiven Kriterien einzuräumen. Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 2 BewG 1934 waren Flächen dem Grundvermögen zuzurechnen, "wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, ...". In § 69 Abs. 1 BewG 1965 lautet die entsprechende Vorschrift: "wenn nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, ...". Das Wort "und" wurde sonach im BewG 1965 durch das Wort "oder" ersetzt. Darin liegt eine sachliche Änderung. Im BewG 1934 mussten beide Voraussetzungen – Lage und sonstige Verhältnisse – kumulativ erfüllt sein. Die Rechtsprechung räumte dabei von vornherein den objektiven Abgrenzungsmerkmalen den Vorrang ein.[3] Nicht zuletzt im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hat der Gesetzgeber im BewG 1965 durch die Verwendung des Wortes "oder" eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass in den Fällen, in denen schon nach den objektiven Merkmalen (Lage und Verwertungsmöglichkeiten) die Eigenschaft einer Fläche als Grundvermögen zu bejahen ist, evtl. entgegenstehende subjektive Umstände unbeachtlich sind. Vielfach werden allerdings subjektive Umstände, die sich aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung ergeben, dadurch berücksichtigt werden können, dass die betreffenden Flächen unter die Schutzvorschriften des § 69 Abs. 2 oder Abs. 3 BewG fallen.

Wie gewichtig die sonstigen Umstände im Verhältnis zu den objektiven Abgrenzungsmerkmalen sind, ist stark von den Besonderheiten des Einzelfalles abhängig. Wie die Rechtsprechung dabei im Zweifel den Schwerpunkt der Betrachtung auf die objektiven Kriterien setzt, wird anhand zahlreicher Einzelfälle deutlich:

 

Rz. 56

[Autor/Stand] Für die Abgrenzung (Grundvermögen – land- und forstwirtschaftliches Vermögen) ist es zwar grundsätzlich ohne Bedeutung, ob der Grundbesitz eigenbewirtschaftet wird oder verpachtet ist. Bei Grundbesitz eines Nichtlandwirtes wird jedoch eher als bei Grundbesitz eines Landwirtes darauf geschlossen werden können, dass dieser, soweit die Möglichkeit besteht, anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zugeführt wird. Andererseits können die Zugehörigkeit von Flächen zu einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, der schon mehrere Jahre im Besitz der Familie ist, und die Absicht, diese Flächen nicht zu Baulandzwecken zu veräußern, der Annahme von Baulandeigenschaft ernsthaft entgegenstehen.[5]

 

Rz. 57

[Autor/Stand] Bildet der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in einem solchen Fall die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers, wird eine Bewertung als Grundvermögen nur zulässig sein, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Flächen spätestens nach zwei Jahren anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. Nach der Rechtsprechung des RFH ist die Wahrscheinlichkeit einer Bebauung in absehbarer Zeit nicht anzunehmen, wenn der Eigentümer einer seit Jahrzehnten bestehenden Gärtnerei die aus wirtschaftlichen Erwägungen wohlbegründete Absicht hat, das Grundstück weiterhin gärtnerisch zu nutzen.[7] Dem steht nicht entgegen, dass eine Gärtnerei im Stadtgebiet (Stadtrandgebiet) liegt.[8] Beweisanzeichen für die Fortführung eines Gärtnereibetriebs können z.B. die Erhaltung des Personalbestands, größere Investitionen in den letzten Jahren und die volle, intensive Ausnutzung der Flächen sein.

 

Rz. 58

[Autor/Stand] Wird Grundbesitz nicht zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, sondern als spekulative Vermögensanlage erworben, so spricht das für seine Behandlung als Grundvermögen. Dieser Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen von einem Erwerber, der nicht Landwirt ist, zu Preisen erworben werden, die erheblich über den für land- und forstwirtschaftliche Flächen üblicherweise gezahlten Preisen liegen.[10] Nach dem der Entscheidung des RFH v. 20.10.1938[11] zugrunde liegenden Sachverhalt war der Besitz von vornherein nicht zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, sondern als spekulative Vermögensanlage erworben worden. Die Eigentümer hatten den Besitz auch nicht selbst landwirtschaftlich genutzt, sondern ihn verpachte...

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