Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 26
Der RFH ist in seinen zahlreichen Entscheidungen über die Abgrenzung der Gebäude von den Betriebsvorrichtungen zwar stets vom Gebäudebegriff ausgegangen; er hat aber trotzdem maßgeblich auf die Verkehrsanschauung abgestellt.
Rz. 27
Der BFH hat zwar ebenfalls den Gebäudebegriff als Ausgangspunkt für die Abgrenzung Gebäude oder Betriebsvorrichtung genommen. Er hat im Gegensatz zum RFH nur in Zweifelsfällen auf die Verkehrsanschauung in Bezug auf das gesamte Bauwerk abgestellt bzw. das mit Hilfe des Gebäudebegriffs gefundene Abgrenzungsergebnis noch durch den Hinweis auf die Verkehrsauffassung bekräftigt. Der übereinstimmende Ländererlass v. 28.3.1960 und die Abgrenzungsrichtlinien v. 31.3.1967 haben aber der Begriffsbestimmung des Gebäudes eine absolute Wirkung beigemessen mit der Folge, dass ein Bauwerk, das sämtliche Merkmale eines Gebäudes aufweist, ausnahmslos als Gebäude zu behandeln ist. Dieser Auffassung hat sich der BFH angeschlossen. Danach ist es nicht zulässig, den Gebäudebegriff über die allgemeine Verkehrsauffassung zu korrigieren, wenn bei einem Bauwerk sonst alle Merkmale des Gebäudebegriffs erfüllt sind. Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass die Verkehrsanschauung i.S. der Allgemeinheit vernünftig denkender Menschen ein Kriterium sei, das bezüglich eines ganzen Bauwerks weder festgestellt noch überprüft werden könne. Dies würde zu einer nicht vertretbaren Rechtsunsicherheit führen. Vielmehr stelle der von der Rechtsprechung gebilligte und angewendete Gebäudebegriff die von der Verkehrsanschauung gebildete Richtschnur dar, nach der festzustellen sei, ob ein Bauwerk als Gebäude betrachtet werden muss. Die Korrektur des Gebäudebegriffs im Einzelfall unter Heranziehung einer angeblich in Bezug auf das gesamte Bauwerk bestehenden Verkehrsauffassung würde letztlich dazu führen, dass ein nach überprüfbaren objektiven Grundsätzen gefundenes Ergebnis aufgrund der subjektiven Auffassung eines Richters oder Sachverständigen unter Berufung auf die Verkehrsanschauung beiseite geschoben werden könnte. Damit würde der Gebäudebegriff seine Bedeutung verlieren.
Allerdings wird die Abgrenzung Betriebsvorrichtung/Grundvermögen durch die absolute Wirkung des Gebäudebegriffs stark typisiert. Dies erscheint zulässig und ist auch vertretbar, weil auf diese Weise weitgehend objektive und nachprüfbare Kriterien bei der Abgrenzung Gebäude/Betriebsvorrichtung entscheidend sind. Dies dient zugleich einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, der Rechtssicherheit und einer leichteren Handhabung der Abgrenzung durch die Beteiligten, was bei einem Massenverfahren von besonderer Bedeutung ist.
Rz. 28
Es bestehen jedoch keine Bedenken, die Verkehrsanschauung zur Entscheidung mit heranzuziehen, wenn zweifelhaft ist, ob ein einzelnes bestimmtes Merkmal des Gebäudebegriffs, z.B. Schutz gegen Witterungseinflüsse durch räumliche Umschließung, gegeben ist. Zu Recht hat der BFH die Anwendung der Verkehrsanschauung nur für das Vorliegen eines Gebäudes im Ganzen, nicht jedoch für einzelne Merkmale des Gebäudebegriffs verneint, und zwar deshalb, weil in Bezug auf einen so komplexen Begriff wie den des Gebäudes eine einheitliche Verkehrsauffassung weder vorhanden noch feststellbar ist. Für einzelne Merkmale des Gebäudebegriffs kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Allgemeinheit vernünftig denkender Menschen durchaus eine gefestigte Vorstellung hat. Es liegt im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und auch einfachen Besteuerung, bei der Frage, ob die einzelnen Gebäudemerkmale gegeben sind, nicht auf die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise, sondern auf die allgemeine Verkehrsauffassung abzustellen. Andernfalls müssten aufwendige Sachverständigengutachten eingeholt werden und die Vorhersehbarkeit der Entscheidung für die Beteiligten wäre beeinträchtigt.