Rz. 57

[Autor/Stand] Die Gutachterausschüsse veröffentlichen die Liegenschaftszinssätze teilweise in Wertspannen. Bei einer Grundstücksbewertung nach der Immobilienwertermittlungsverordnung dürfte dies im Allgemeinen völlig unproblematisch sein, weil insoweit eine sachverständige Bestimmung des maßgebenden Liegenschaftszinssatzes zulässig ist. Muss der Liegenschaftszinssatz dagegen innerhalb der steuerlichen Bewertung nach § 188 BewG vom Finanzamt bestimmt werden, sind Interessenskonflikte nicht auszuschließen, wenn eine Auswahl aus der vom Gutachterausschuss definierten Wertspanne getroffen werden muss.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.03.2011

a) Nachfrage beim Gutachterausschuss

 

Rz. 58

[Autor/Stand] Nach Abschn. 22 Abs. 3 GV-Erlass[2] hat das Finanzamt den für das zu bewertende Grundstück anzuwendenden Liegenschaftszinssatz beim Gutachterausschuss zu erfragen, wenn von den Gutachterausschüssen Liegenschaftszinssätze in Wertspannen veröffentlicht worden sind. Diese Regelung ist mE bedenklich, weil der vom Gutachterausschuss für das zu bewertende Grundstück zutreffend erscheinende Liegenschaftszinssatz ein individuell ausgewiesener Liegenschaftszinssatz wäre. Nach § 188 Abs. 2 Satz 1 BewG sind jedoch die von den Gutachterausschüssen iS der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs ermittelten "örtlichen Liegenschaftszinssätze" anzusetzen. Die allgemeinen örtlichen Liegenschaftszinssätze gehen damit nach der Konzeption der steuerlichen Bewertung mE einem individuell bestimmten Liegenschaftszinssatz vor.

 

Rz. 59

[Autor/Stand] Wenn nach der bestehenden Regelung des Abschn. 22 Abs. 3 GV-Erlass[4] der für das Grundstück maßgebende Liegenschaftszinssatz beim Gutachterausschuss "erfragt" werden kann, müsste sich auch ein Steuerpflichtiger auf die Nachfragemöglichkeit beziehen und den Ansatz eines individuellen Liegenschaftszinssatzes verlangen können. Dies dürfte die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen wohl nicht zubilligen, weil sie die Individualisierung der Bewertung grundsätzlich nur innerhalb eines Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts im Rahmen des § 198 BewG akzeptiert. Die Individualisierung des Liegenschaftszinssatzes wäre dagegen eine – aus der Sicht der Finanzverwaltung – unzulässige Veränderung einer einzelnen Bewertungskomponente, die dem Gedanken eines typisierten steuerlichen Bewertungsverfahrens entgegensteht.

 

Rz. 60

[Autor/Stand] Besonders fraglich erscheint, ob aufgrund der in Abschn. 22 Abs. 3 GV-Erlass[6] vorgesehenen Nachfrage beim Gutachterausschuss der vom Gutachterausschuss benannte Liegenschaftszinssatz selbst dann angesetzt werden muss, wenn der individuell benannte Liegenschaftszinssatz außerhalb der Wertspannen liegt.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.03.2011
[2] Abschn. 22 Abs. 3 GV-Erlass v. 5.5.2009, BStBl. I 2009, 590.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.03.2011
[4] GV-Erlass v. 5.5.2009, BStBl. I 2009, 590.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.03.2011
[6] GV-Erlass v. 5.5.2009, BStBl. I 2009, 590.

b) Denkbare Vereinfachungsregel bei Wertspannen

 

Rz. 61

[Autor/Stand] Trotz der Bedenken gegen die Regelung des Abschn. 22 Abs. 3 GV-Erlass[2] erscheint mE eine Vereinfachungsregelung sinnvoll, mit der die Angaben der Liegenschaftszinssätze in den Wertspannen verwertet werden können, um das Bewertungsergebnis zu verbessern. Dabei wären folgende Grundsätze denkbar.

 

Rz. 62

  • Liegt der gesetzliche Liegenschaftszinssatz nach § 188 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BewG innerhalb der vom Gutachterausschuss angegebenen Spanne, ist der gesetzliche Liegenschaftszinssatz der Grundbesitzbewertung zu Grunde zu legen.
 

Rz. 63

 

Beispiel

Für ein Gewerbe- und Industriegrundstück wird vom Gutachterausschuss eine Spanne von 5,0 %–7,5 % angegeben. Der nach § 188 Abs. 2 Nr. 4 BewG für Geschäftsgrundstücke geltende Liegenschaftszinssatz beträgt 6,5 %.

Anzusetzen wäre der gesetzliche Liegenschaftszinssatz von 6,5 %, weil er innerhalb der vom Gutachterausschuss angegebenen Spanne liegt.

 

Rz. 64

  • Liegt der gesetzliche Zinssatz außerhalb der Spanne, ist der Liegenschaftszinssatz innerhalb der Spanne zu wählen, der dem gesetzlichen Liegenschaftszinssatz am nächsten liegt. Dies ist der obere oder untere Grenzwert der Spanne.
 

Rz. 65

 

Beispiel

Für ein Gewerbe- und Industriegrundstück wird vom Gutachterausschuss eine Spanne von 7,0 %–7,5 % angegeben. Der nach § 188 Abs. 2 Nr. 4 BewG für Geschäftsgrundstücke geltende Liegenschaftszinssatz beträgt 6,5 %.

Als Liegenschaftszinssatz anzusetzen wäre hier der unterste Wert der Wertspanne von 7,0 %, weil der gesetzliche Liegenschaftszinssatz von 6,5 % dem untersten Wert der Wertspanne am nächsten liegt.

 

Rz. 66

[Autor/Stand] Sofern der Steuerpflichtige einen davon abweichenden Liegenschaftszinssatz zugrunde legen will, steht ihm ausschließlich der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts für die gesamte wirtschaftliche Einheit nach § 198 BewG offen.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.03.2011
[2] GV-Erlass v. 5.5.2009, BStBl. I 2009, 590.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.03.2011

c) Angabe eines Mittelwerts

 

Rz. 67

[Autor/Stand] Zum Teil veröffentlichen Gutachterausschüsse die Liegenschaftszinssätze auch in der...

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