Rz. 88

[Autor/Stand] Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung (§ 11 Satz 2 AktG). Aktiengattungen werden durch die Satzung begründet (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG). Aktien verschiedener Gattungen entstehen durch unterschiedliche Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte. Vorzugsaktien sind im Verhältnis zu Stammaktien eine besondere Gattung. Die Vorrechte der Vorzugsaktien können sich auf die Gewinnverteilung oder auf die Verteilung des Liquidationserlöses beziehen. Auch die unterschiedliche Ausstattung im Stimmrecht kann ein Vorzug sein. Mehrstimmrechtsaktien sind jedoch grundsätzlich unzulässig (§ 12 Abs. 2 AktG). Der "Vorzug" kann auch im Ausschluss des Stimmrechts bestehen (§ 12 Abs. 1 AktG). Der Stimmrechtsausschluss ist nur bei gleichzeitigem vermögensrechtlichem Vorzug zulässig (§ 139 Abs. 1 AktG).

 

Rz. 89

[Autor/Stand] Vorzugsaktien sind mit dem für sie notierten Börsenkurs zu bewerten. Besteht ein Börsenkurs nur für Stammaktien, so kann der Wert der Vorzugsaktien aus diesem Börsenkurs abgeleitet werden. Dies entspricht dem Vorrang des Börsenkurses für die Bestimmung des Werts von Wertpapieren (s. oben Anm. 11). Umgekehrt kann der Wert von Stammaktien aus dem Börsenkurs von Vorzugsaktien abgeleitet werden. Unterschiedliche Ausstattungen in der Gewinn- oder Liquidationsberechtigung lassen sich durch Abschlag oder Zuschlag auf der Grundlage der Kapitalisierung des Unterschieds berücksichtigen.[3] Bei stimmrechtslosen Aktien muss dem vermögensmäßigen Vorzug der Beteiligung der fehlende Einfluss auf die Geschäftsführung gegengerechnet werden.

 

Rz. 90

[Autor/Stand] In den 80er Jahren zeigte sich bei Gesellschaften, für die sowohl Vorzugsaktien als auch Stammaktien an der Börse gehandelt werden, dass der Börsenkurs von Vorzugsaktien regelmäßig niedriger war als der von Stammaktien, und zwar um durchschnittlich 20 %. Das bedeutet, dass für nichtnotierte Stammaktien ein Wert angesetzt werden muss, der um 25 % über dem Börsenkurs von Vorzugsaktien liegt. Die Börse bewertet damit das Stimmrecht der Stammaktie durchschnittlich mit einem Viertel des Kurswerts dieser Aktie.[5] Dementsprechend hatten die Länderfinanzverwaltungen aufgrund des BFH-Urteils vom 9.3.1994[6] die vom BMF ermittelten durchschnittlichen Zu- und Abschläge auf Grund von Börsennotierungen für Aktien, von denen beide Gattungen an der Börse gehandelt werden, nachstehend festgelegt:[7]

 
Stichtag Ableitung Stammaktie aus Börsenkurs Vorzugsaktie Aufschlag Ableitung Vorzugsaktie aus Börsenkurs Stammaktie Abschlag
31.12.1990 20 % 30 %
31.12.1991 20 % 30 %
31.12.1992 24 % 28 %

Binz/Sorg[8] sind indessen der Meinung, dass die Ursache des Kursunterschieds auf einem u.a. von den Banken genährten Vorurteil gegen Vorzugsaktien und damit im irrationalen Bereich liegt. Die Finanzverwaltung sollte deshalb zu ihrem früheren Bewertungsverfahren[9] zurückkehren.

 

Rz. 91

[Autor/Stand] Das FG München hat mit Urteil vom 23.9.1997[11] die Ableitung des gemeinen Werts nicht börsennotierter Stammaktien aus dem Börsenkurs stimmrechtsloser Vorzugsaktien desselben Unternehmens durch Anwendung der durchschnittlichen Wertdifferenz von Stamm- und Vorzugsaktien für sachgerecht erachtet. Empirische Untersuchungen hätten zwar erhebliche Schwankungen aufgezeigt, eine Abweichung bis zur Höhe des durchschnittlichen Kursunterschieds sei aber als üblich anzusehen.

Der BFH hat mit Urteil vom 21.4.1999[12] diese Entscheidung jedoch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückverwiesen. Das Stimmrecht der Stammaktien sei zwar i.d.R. werterhöhend, die geringere Dividendenberechtigung aber wertmindernd. Die Höhe der Abschläge und Zuschläge, die diese Wertmerkmale berücksichtigen, sei zu schätzen. Diese Schätzung habe an den im Einzelfall tatsächlich vorliegenden unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen anzusetzen und die maßgeblichen Verhältnisse der konkreten Gesellschaft zu berücksichtigen. Der Rückgriff auf Durchschnittswerte beachte nicht die Ausstattungsunterschiede im Einzelfall und überschreite damit die Grenzen einer rechtlich vertretbaren Schätzung. Anzuerkennen sei jedoch, dass der gemeine Wert nicht börsennotierter Stammaktien zumindest dem Börsenkurs der Vorzugsaktien entspricht; dies müsse nicht näher belegt werden. Diese Auffassung könnte in der Praxis dazu führen, dass bei Schwierigkeiten der Feststellungen zum Gewicht der einzelnen Ausstattungsmerkmale häufig dieselben Werte für Stammaktien und für Vorzugsaktien angesetzt werden. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben den diesem BFH-Urteil entgegenstehenden Erlass aufgehoben.[13]

 

Rz. 92

[Autor/Stand] Auch wenn der BFH eine pauschale Ableitung des gemeinen Werts von Vorzugsaktien aus dem Börsenkurs der Stammaktien und umgekehrt ablehnt, dürfte es dennoch zulässig sein, die Abweichung zwischen dem notierten Kurs und den erzielbaren Kaufpreisen für die nicht notierten Anteile zu ermitteln und bei der Ableitung des gemeinen Werts von nicht notierten Anteilen einer konkreten Gesellschaft zu berücksichtigen....

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