Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 22
Mit dem in § 198 BewG aufgenommenen Bezug auf das Baugesetzbuch sollte letztlich auch klargestellt werden, dass dingliche Nutzungsrechte im Falle eines Sachverständigengutachtens bereits bei der Ermittlung des Wertes des Grundstücks wertmindernd zu berücksichtigen sind. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat dies in der Vergangenheit stets abgelehnt, weil die nach dem Bewertungsgesetz definierte und zu bewertende wirtschaftliche Einheit "Grundstück" nicht zwingend mit dem Wertermittlungsgegenstand des Baugesetzbuchs übereinstimmt.
Rz. 23
Bei der nach § 2 BewG definierten wirtschaftlichen Einheit und dem bisher nach § 68 BewG zu bestimmenden Umfang der zum Grundvermögen gehörenden wirtschaftlichen Einheit "Grundstück" war die Berücksichtigung von Nutzungsrechten ausgeschlossen. Vielmehr waren nach der bisherigen Rechtslage Belastungen durch Nutzungsrechte auch im Falle des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts erst bei der Ermittlung der Bereicherung abzuziehen. Der BFH vertrat die Auffassung, dass im Falle des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts der dabei zu Grunde gelegte Bewertungsgegenstand mit der steuerlichen wirtschaftlichen Einheit übereinstimmen muss. Die Rechtsauffassung ist überzeugend. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 angeschlossen.
Rz. 24
Demgegenüber vertritt die Finanzverwaltung für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 erneut die Auffassung, dass wegen des in § 198 BewG ausdrücklich aufgenommenen Bezugs auf die auf Grund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften auch dingliche Nutzungsrechte bei der Ermittlung des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts abgezogen werden dürfen. Dementsprechende Gutachten sind daher von der Finanzverwaltung anzuerkennen. Die Auffassung der Finanzverwaltung stützt sich zusätzlich auf die mit dem ErbStRG eingeführte Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG, wonach ein Abzug von Nutzungsrechten bei der Erbschaftsteuer ausgeschlossen wird, wenn sich diese als Grundstücksbelastungen bei der Ermittlung des gemeinen Werts einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes ausgewirkt haben.
Rz. 25
Das bedeutet, Nutzungsrechte werden als Grundstücksbelastungen nach den Bewertungsregelungen des Bewertungsgesetzes nicht bereits bei der Ermittlung des Werts der wirtschaftlichen Einheit abgezogen. Dagegen können Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bereits innerhalb der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt werden, soweit der Steuerpflichtige vom Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten Gebrauch macht.
Rz. 26
Diese Auffassung wird zwischenzeitlich vom BFH geteilt. Mit Urteil vom 9.4.2014 hat der BFH entschieden, dass abweichend von der früheren Rechtslage nunmehr im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks nach § 198 BewG auf dem Objekt lastende Nutzungsrechte bei der Wertermittlung nach Maßgabe der Vorschriften zu berücksichtigen sind, die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) erlassen wurden.
Dementsprechend führt Rd-Nr. 7 der gl. lt. Erl. v. 7.12.2022 aus:
"Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Gutachten gelten die auf Grund des § 199 Absatz 1 BauGB erlassenen Vorschriften (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV). Nach Maßgabe dieser Vorschriften sind sämtliche wertbeeinflussenden Umstände zur Ermittlung des gemeinen Werts (Verkehrswerts) von Grundstücken zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch die den Wert beeinflussenden Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, wie z.B. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte."