Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 80
Im Gegensatz zu der Vorschrift des § 22 Abs. 3 BewG über die Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers enthält § 23 BewG keine entsprechende Regelung für die Nachfeststellung. Das hat seinen Grund darin, dass eine Nachfeststellung zum Zweck einer Fehlerbeseitigung begrifflich nicht möglich ist; denn der Begriff "Nachfeststellung" setzt voraus, dass noch keine Feststellung eines Einheitswerts vorliegt. Die Nachfeststellung ist also stets eine Feststellung eines Einheitswerts nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt. Eine Einheitswertfeststellung zur Fehlerbeseitigung ist aber die Änderung eines bereits bestehenden Einheitswerts; bei einer Nachfeststellung liegt jedoch noch kein Einheitswert vor.
Rz. 81
In diesem Zusammenhang ist aber auf die Fälle hinzuweisen, in denen bei der Abgrenzung einer wirtschaftlichen Einheit von Grundbesitz und damit bei der Einheitsbewertung insofern ein Fehler unterlaufen ist, als fälschlicherweise ein nicht zur wirtschaftlichen Einheit gehörendes Grundstück in diese Einheit einbezogen worden ist. In diesen Fällen hat die Rechtsprechung eine Feststellung des Einheitswerts für das aus der wirtschaftlichen Einheit herausfallende Grundstück zugelassen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Einheitswert, bei dessen Feststellung ein Fehler unterlaufen ist, durch eine Wertfortschreibung fortgeschrieben werden kann.
Rz. 82
In dem der Entscheidung des BFH zugrunde liegenden sog. Herrenhausfall hatte das Finanzamt ein Schloss bei der Hauptfeststellung auf den 1.1.1935 in den Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs eines Großgrundbesitzers einbezogen. Zum 21.6.1948 änderte es – wohl im Hinblick auf die Vermögensabgabe – seine Ansicht, sah die bisherige Handhabung als fehlerhaft an und bewertete das Schloss samt Umgriff im Wege der Nachfeststellung als selbständige wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens. Für den Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes unterblieb eine Wertfortschreibung, vermutlich, weil die Wertgrenzen nicht erreicht waren. Das Finanzgericht hielt zwar keine Nachfeststellung, wohl aber eine berichtigende Artfortschreibung für zulässig. Der BFH hob den Nachfeststellungsbescheid mit der Begründung auf, die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BewG 1934 hätten nicht vorgelegen. Wenn die Erfassung des Schlosses im land- und forstwirtschaftlichen Vermögen fehlerhaft gewesen sei, könne dieser Fehler durch eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung korrigiert werden. Erst dann dürfe das Schloss als Grundvermögen bewertet werden. Ob die Bewertung des Schlosses darin im Wege der Nachfeststellung oder der Artfortschreibung erfolgen sollte, ist unklar.
Rz. 83
Die Entscheidung ist durch die Neufassung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 BewG überholt. Während bis zum BewG 1965 Nachfeststellungen nach dieser Vorschrift nur bei Wegfall einer Steuerbefreiung zulässig waren, sind seit 1974 Nachfeststellungen immer dann durchzuführen, wenn eine bereits bestehende wirtschaftliche Einheit erstmals zu einer Steuer herangezogen werden soll (vgl. oben Anm. 2). Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn eine bestehende wirtschaftliche Einheit erstmals als solche selbständig zu einer Steuer herangezogen wird. Dass sie bisher fehlerhaft als Teil einer anderen wirtschaftlichen Einheit bewertet und besteuert wurde, schließt die Nachfeststellung nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BewG n.F. nicht aus. Die Nachfeststellung kann – wie auch sonst (oben Anm. 43) – unabhängig davon durchgeführt werden, ob für die Haupteinheit eine Wertfortschreibung möglich ist. Der Einheitswert über den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb entfaltet keine Bindungswirkung in dem Sinne, dass er die Nachfeststellung ausschließt, solange er nicht geändert ist. Ist der Einheitswert für den landwirtschaftlichen Betrieb noch abänderbar, ist er im Zusammenhang mit der Nachfeststellung zu korrigieren. Kommt nur eine fehlerbeseitigende Nachfeststellung in Betracht, ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Nachfeststellung § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 BewG entsprechend anzuwenden. Der Grund für die zeitliche Einschränkung der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung, nämlich zu verhindern, dass der Steuerpflichtige durch eine rückwirkende werterhöhende Fortschreibung übermäßig belastet wird, trifft in gleicher Weise zu, wenn ein Fehler durch Nachfeststellung korrigiert wird. Deshalb darf die Nachfeststellung (ggf. zusammen mit der Wertfortschreibung für die Haupteinheit) abweichend von § 23 Abs. 2 Satz 2 BewG (unten Anm. 90) erst zum Beginn des Kalenderjahrs der Bescheiderteilung erfolgen, wenn sie insgesamt zu einer Werterhöhung führt, wobei beide Einheitswerte zusammenzurechnen sind.
Rz. 84
Hat das Finanzamt zu Unrecht zwei wirtschaftliche Einheiten – z.B. zwei Eigentumswohnungen – zum Nachfeststellungszeitpunkt mit nur einem Einheitswert bewertet, so muss es diesen Bescheid unter den Vorauss...